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So bewährte Mittel wie Videoüberwachung

In Berlin reagiert die Polizei sehr ver­hält­nis­mäs­sig auf einen Ku­chen­ver­kauf und in Heidelberg fordert Würzner in Köln-Panik, Bis­marck­platz und Bahn­hofs­vor­platz mit Vi­deo­ka­me­ras zu überwachen. Warum?

Die RNZ hat Würzner seine Forderung nach mehr Vi­deo­über­wa­chung erklären lassen. Dabei kommen sie unter anderem auch auf die recht­li­chen Grundlagen zu sprechen:

Aber es gibt doch sehr hohe rechtliche Hürden für Vi­deo­über­wa­chung ... Ja, aber ich halte Kameras durch die neue Bewertung der Si­cher­heits­la­ge nach Köln für zulässig und angemessen.

Die rechtliche Grundlage dafür, an einem öf­fent­li­chen Ort Vi­deo­über­wa­chung ein­zu­set­zen, ist, wie die RNZ schreibt, §21 des Po­li­zei­ge­set­zes. Darin heißt es:

(3) Der Po­li­zei­voll­zugs­dienst oder die Orts­po­li­zei­be­hör­den können an öffentlich zu­gäng­li­chen Orten Bild- und Tonauf­zeich­nun­gen von Personen anfertigen, wenn sich die Kri­mi­na­li­täts­be­las­tung dort von der des Ge­mein­de­ge­biets deutlich abhebt und Tatsachen die Annahme recht­fer­ti­gen, dass dort auch künftig mit der Begehung von Straftaten zu rechnen ist.

Ob die Kri­mi­na­li­täts­ra­te am Bismarck- be­zie­hungs­wei­se Bahn­hofs­vor­platz si­gni­fi­kant höher als im Rest der Stadt sind, das weiß die Polizei noch nicht. (Siehe hier).

Würzner selbst "ar­gu­men­tier­t" - was Prothmann kann, kann ich auch - in seinem Interview mit der RNZ übrigens mit "eine[r] großen Ver­un­si­che­rung in der Be­völ­ke­run­g", gibt aber selbst zu:

es gibt bisher keine besonders auffällige Situation in Heidelberg.

Er stellt also selbst fest, dass die Grundlage für die Anwendung von §21 Po­li­zei­ge­setz nicht erfüllt ist. Aber wollen wir mal nicht so sein. Zwar hatte sich Kai Biermann schon vor zwei Jahren den Argumenten pro Vi­deo­über­wa­chung angenommen, aber der Zweck heiligt sicherlich immer noch die Mittel. Apropos Mittel:

Und da hat sich die Vi­deo­über­wa­chung als gutes Mittel bewährt - sei es im Nahverkehr oder auf zentralen Plätzen, weil sie das Si­cher­heits­ge­fühl hebt und als Be­weis­mit­tel dient.

Ach, wirklich? Vielleicht kann Heidelberg da vom reichen Er­fah­rungs­schatz der Berliner Ver­kehrs­be­trie­be pro­fi­tie­ren:

Danach führte die Vi­deo­über­wa­chung und -auf­zeich­nung auf den drei U-Bahn-Linien nicht zu einer sinkenden Kri­mi­na­li­täts­ra­te, sondern im Gegenteil sogar zu einem leichten Anstieg.

Das mag sicherlich auch daran liegen, dass mehr Straftaten beobachtet wurden. Und auch in London ist es dank der Über­wa­chungs­ka­me­ras nur bedingt (Spoiler: nicht) sicherer geworden. Außerdem muss eine Vi­deo­über­wa­chung nicht zwangs­läu­fig zu einem besseren Si­cher­heits­ge­fühl führen.

Würzner hofft jedoch, dass die Aufklärung die Vi­deo­über­wa­chung recht­fer­tigt. Hier sei nochmal auf die Berliner Studie verwiesen, bei der zu insgesamt mehreren tausend Straftaten in nur 78 Fällen Bild­ma­te­ri­al vorhanden war, von denen nur ein Drittel (26 Fälle) aus­rei­chend war, um Ver­däch­ti­ge zu iden­ti­fi­zie­ren. Auch in London werden pro 1000 Kameras ein Verbrechen aufgeklärt wurde. Gut, dass sich die Vi­deo­über­wa­chung bewährt hat. Man muss nur genug Kameras aufstellen, dann steigt die Zahl der geklärten Verbrechen von ganz alleine.

Wenn schon nicht die Auf­klä­rungs­quo­te erhöht wird, dann müssen doch Kameras zumindest nachts ab­schre­ckend wirken, oder? ODER?

Geht es nach Würzner, würden die Kameras vor allem dann ab­schre­cken, wenn die Beamten sowieso nicht da sind - nämlich nachts.

Verbrecher lassen sich von Kameras, die nur bedingt zur Aufklärung beitragen, bestimmt ab­schre­cken. Vor allen Dingen nachts.

Der Hei­del­ber­ger Ober­bür­ger­meis­ter fordert also, dass aufgrund eines nicht-existenten Problems ein nicht-an­wend­ba­res Gesetz genommen wird, um eine nicht-effektive Form der Ab­schre­ckung anzuwenden, um ein sub­jek­ti­ves Si­cher­heits­be­dürf­nis zu erzeugen. Weil er da so ein Gefühl hat.

Würzner würde gut nach Berlin passen, hier hat man es ebenfalls mit Ver­hält­nis­mäs­sig­keit. Vielleicht sollte man Würzner mal stecken, was ein geheimes Ge­fah­ren­ge­biet ist. Auch hier kennen die sich Ber­li­ner_in­nen ein bisschen besser aus.

Einen letzten Punkt habe ich noch. Moritz Feier, Sprecher der RNV, begründet die Vi­deo­über­wa­chung in Bussen und Stra­ßen­bah­nen wie folgt:

Das hat einen ab­schre­cken­den Effekt und trägt zur Aufklärung der Straftaten bei.

Hat die RNV hierfür Belege? Oder ist das auch eher so ein Gefühl? Wenn es lediglich darum geht, den Van­da­lis­mus in Bus und Bahn in den Griff zu kriegen, dann könnte man es doch auch einfach mal mit WLAN probieren.

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