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Von Schiefertafel und Meißel

Vor einigen Jahren hatte ich mal diesen Traum: Es gibt da so ein Gerät, quasi ein digitales Notizbuch. Ich könnte da einfach so meine Gedanken mit der Hand schreiben und hätte sie hinterher in digitaler Form.

Irgendwann erschien dann das iPad Pro mit dem Apple Pencil und ich war echt be­ein­druckt. Natürlich ging ich damals zum nächsten Apple-Store und probierte diese Kom­bi­na­ti­on aus.

Ich kann mich noch relativ gut daran erinnern, dass mich die glatte Oberfläche ab­schreck­te. Meine Er­war­tungs­hal­tung war vielleicht ein bisschen hoch, aber ich hatte gehofft, dass sich Pencil und iPad wie Zettel und Stift anfühlen

Nur: Es war zu glatt. Der Stift glitt auf dem Tablet — mir fehlte das Kratzen eines Stiftes auf Papier. Ausserdem sah meine Hand­schrift auf dem iPad so fürch­ter­lich aus. Die sah doch noch nie so grauenhaft aus! Das muss mit diesem Stift zu­sam­men­hän­gen! Die Ursache ist bestimmt, dass ich mit dem Stift auf diesem glatten Display so rutsche. Und ich muss so klein schreiben, das macht es auch nicht besser. Resigniert verließ ich den Laden und das Thema war erstmal Geschichte. Vor ein paar Monaten sah ich, dass ein damaliger Ar­beits­kol­le­ge iPad+Pencil nutzte, um sich Notizen zu machen und das Thema war dann auf einmal doch wieder aktuell.

Vor einigen Tagen kaufte ich mir dann ebenfalls von jedem eins und ich war schon von der Ein­rich­tung total be­ein­druckt und begeistert. Ich kann einfach mein iPhone neben das Tablet legen und es wurde ein­ge­rich­tet. So fühlt sich wahr­schein­lich Magie an. Und dann der Stift! Meine ersten Triche machte ich noch in der Notizen-App und wenn ich nur groß genug schreibe, dann kann ich mich auch mit dem Ergebnis anfreunden. In der Schule sah das auch nie besser aus, aber ich habe mir auch nie wirklich viel — also eigentlich gar keine — Mühe gegeben. Ich war auf jeden Fall angefixt.

Wenig später lud ich mir dann Good Notes herunter, weil ich von dieser App schon einige positive Sachen gehört habe. Hört das mit dieser Be­geis­te­rung eigentlich irgendwann wieder auf? Das Schöne an Good Notes ist, dass es da so ein kleines Fenster gibt, in dem ich relativ groß und somit relativ lesbar schreiben kann, während der Text dann au­to­ma­tisch ver­klei­nert wird. Da hat sich jemand Gedanken gemacht. In wieweit das aber Aus­wir­kun­gen auf meine Schrift­grö­ße auf Papier hat, kann ich noch nicht sagen. Das wird hof­fent­lich die Zeit zeigen, wahr­schein­lich schreibe ich ab sofort nur noch so groß wie auf dem iPad und wundere mich dann, warum das analoge Notizbuch meine Notizen nicht ver­klei­nert.

Ein wenig fühlt sich das wie Schreiben lernen an. Dadurch, dass der Pencil auf dem Display klackert, habe ich manchmal den Eindruck, ich würde diese Buchstaben in eine Steintafel hämmern. Gleich­zei­tig fällt mir auf, dass ich sehr viel Schreib­schrift schreibe, so wie ich es in der Grund­schu­le gelernt habe. Es fühlt sich so an, als würde ich eine lange Linie malen. In­ter­es­sant, dass so eine hoch­mo­der­ne Schie­fer­ta­fel Er­in­ne­run­gen an meine Schulzeit, die doch schon etwas zu­rück­liegt, und an die Steinzeit, die noch etwas länger zu­rück­liegt, weckt. Mir fällt auf jedem Fall auf, dass ich umso mehr schmiere, je schneller ich schreibe. Aber keine Sorge, das passiert auch, wenn ich mit einem echten Stift mit echter Tinte auf echtem Papier schreibe.

Das iPad hat jedoch nicht nur den Stift, um Eingaben ent­ge­gen­zu­neh­men, sondern wie die meisten iOS-Geräte auch eine Bild­schirm­tas­ta­tur. Bisher stand ich mit der immer ein bisschen auf Kriegsfuss, weil ich von einer Tastatur haptisches Feedback und eine sauberere Trennung der Tasten gewohnt bin — ich bin ein großer Fan me­cha­ni­scher Tastaturen. Selbst auf der kleineren Version der Tastatur auf meinem iPhone vertippe ich mich wesentlich häufiger, als mir lieb ist. Das dürfte auf dem iPad nicht anders sein. Ich möchte mit dem iPad aber auch nicht mein geliebtes MacBook mit seiner Tastatur ersetzen, mein Plan ist viel mehr, ihm mit seinen ganz eigenen Stärken eine Chance zugeben, seinen Platz zu finden, sei es als digitales Notizbuch oder als Malblock. Ich bin zwar kacke im Malen, aber es ist ja noch kein Marco vom Himmel gefallen. An Marco und seine lie­be­vol­len Il­lus­tra­tio­nen musste ich übrigens auch denken, als ich mir das iPad gekauft habe. Es ist allerdings nicht mein erstes iPad.

Als vor einigen Jahren das iPad 2 erschien, kaufte ich Fuchs mir das iPad 1. Damals war ich noch in der Ausbildung und wollte es schon einmal einfach probieren. Wir wurden aber nicht richtig warm mit­ein­an­der, es ver­wan­del­te sich in eine sehr teure Fern­seh­zeit­schrift und irgendwann gingen wir getrennte Wege. Dieses Mal dürfte aber alles anders werden — wieder einmal: Ich habe keinen Fern­seh­an­schluss mehr.

Wie ich dennoch verhindere, dass Pencil+iPad ihre Fas­zi­na­ti­on verlieren und doch einfach nur ungenutzt in der Gegend rumliegen werden, das kann ich noch nicht sagen. Wahr­schein­lich ist da auch noch ein bisschen re­gel­mäs­si­ge Liebe in Form von Benutzung mei­ner­seits dabei. Da ist es ja fast eine Fügung des Schicksals, dass mir die beginnende Barcamp-Saison da ge­wis­ser­ma­ßen unter die Arme greifen kann: Endlich kann ich auch mal eine Session zum Thema Sketch­no­tes besuchen. Also vor­aus­ge­setzt, dass die noch jemand anbietet.

Alles in allem freue ich mich darauf zu sehen, wie diese moderne Schie­fer­ta­fel nebst Meißel ihren Platz suchen wird. Ob die beiden den Traum erfüllen können, ein analoges Notizbuch zu ersetzen, wird hof­fent­lich die Zeit zeigen.

Zumindest hat es für einen mehr­sei­ti­gen Blogpost gereicht.

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