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Goldener Käfig

Am Wochenende war ich unter anderem im noch Ver­ei­nig­ten Königreich -- zum ersten Mal seit etwas mehr als zwei Jahren. Eine Freundin feierte Geburtstag und so ließ ich es mir nicht nehmen, mit dem Zug anzureisen. Das habe ich mir vor fünf Jahren zum Abschluss meines Ba­che­lor­stu­di­ums schon einmal geschenkt und ich hatte es sehr angenehm in Erinnerung.

Ich fahre gerne Zug. Für mich ist das meistens eine sehr entspannte Form des Reisens. Wie beim letzten Mal fuhr ich über Brüssel und von dort mit dem Eurostar nach London St Pancras In­ter­na­tio­nal — einem wun­der­schö­nem Banhof. Eine Fahrt dauerte rund sechs Stunden. Wäre ich geflogen, wäre ich wohl auch nicht schneller gewesen.

Der Eurostar fährt für rund 20 Minuten mit bis zu 300km/h unter dem Ärmelkanal durch den Channel Tunnel. Auf den ersten Blick ist diese Röhre ungefähr so spek­ta­ku­lär wie der Gotthard-Ba­sis­tun­nel: Es ist ziemlich dunkel und man sieht nichts. Man hat aber mobiles Internet und wenn man bedenkt, dass der Ei­sen­bahn­tun­nel unter dem Meer verläuft, sieht es schon anders aus mit meiner Be­wun­de­rung. Habe ich schon erwähnt, wie be­ein­dru­ckend ich die Technik finde? Ich schweife ab.

Bevor man in den Eurostar steigt, muss man einen Si­cher­heits­check wie am Flughafen mitsamt doppelter Grenz­kon­trol­le über sich ergehen lassen. Die Un­ter­wegsbahn­hö­fe waren großzügig mit Ma­schen­draht­zahn, Sta­chel­draht und Zäunen abgesperrt, ebenso wie die Tun­nel­ein­fahr­ten. Damit auch ja niemand ohne Ticket, Si­cher­heits­check, Auf­ent­halt­sti­cket, falscher Staats­an­ge­hö­rig­keit in diesen Zug steigen kann.

Wir haben soviel Angst vor Menschen, die zur falschen Zeit am falschen Ort zur Welt kamen, dass wir uns selbst lieber in einem goldenen Käfig einsperren und Frontex, Gerichte und un­ter­las­se­ne Hil­fe­leis­tung die Drecks­ar­beit erledigen lassen.

Oder, um es mit den Worten von Dota Kehr zu sagen:

Warum schützt man die Grenzen der Staaten so gut und die Grenzen der Menschen so schlecht? — Dota Kehr, Grenzen

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