bullshit

neues deutschland, alte app

Vor einigen Tagen war es mal wieder soweit: Ich lachte mir ein neues Zei­tungs­pro­be­abo an, dieses Mal war es vom neuen deutsch­land. Manchmal mag ich Papier doch noch ganz gerne, da tauchen so selten Push-No­ti­fi­ca­ti­ons und andere Ab­len­kun­gen auf und man kann es so gut falten. Aber sonst weiß ich durchaus auch die Vorzüge eines Tablets — mit einer ent­spre­chen­den App — zu schätzen. Was für ein Zufall, dass das nd mit dem Kombi-Mini-Abo ein ent­spre­chen­des Probeabo im Angebot hat, da konnte ich dann doch nicht mehr wi­der­ste­hen.

Ich holte mir die App, meldete mich mit meinem Be­nut­zer­kon­to an und lud mir die aktuelle De­mo­a­us­ga­be herunter. Mir gefällt die App, sie ist schlicht und ich kann mit ihr das machen, was ich will: Zeitung lesen. Um das Be­dien­kon­zept anhand der De­mo­a­us­ga­be zu ver­an­schau­li­chen, habe ich mal ein kurzes Video auf­ge­nom­men.

Wenig später meldete sich eine Be­rufs­krank­heit — ich pro­gram­mie­re für Geld Apps für iPhone und iPad — und ich stellte mir die Frage: Wie haben die die App eigentlich gebaut? Dass ich im PDF auf einen Text tappen kann, der mir dann in einer anderen Ansicht angezeigt wird; das ist ja schon durchaus schick und elegant! Der Text sieht auf jeden Fall nicht so aus, als würden sie ihn aus dem PDF ex­tra­hie­ren. Woher also dann?

Am ver­gan­ge­nen Freitag setze ich mich also hin, diese Fragen zu be­ant­wor­ten. Das Ergebnis wird vielleicht eine kleine Serie von Blogposts sein — ich will da aber nichts ver­spre­chen, wahr­schein­lich bin ich zu faul oder an­triebs­los. Vielleicht schaffe ich es ja auch, mich hin­zu­set­zen und das besser zu machen, weil — Spoiler — einige Sachen sind eher uncool. Und genau um die geht es heute.

Ich in­stal­lier­te mir mit Proxyman ein Tool, mit dem ich den Netz­werk­ver­kehr der App mitlesen kann. Und ab dem Moment war das, was ich sah, so ein bisschen wie ein Unfall: Je mehr ich sah, desto uncooler wurde es, desto mehr wollte ich sehen.

Backend und welche Ver­schlüs­se­lung?

Die nd-App bezieht die Texte, PDFs und Bilder, die sie anzeigt, von einem Backend, die Domain lautet epaper.neues-deutschland.de. Über dieses Backend kann ich mich — auch im Browser — anmelden und alle aktuellen und ver­gan­ge­nen Ausgaben seit dem 01. August 2011 als PDF her­un­ter­la­den. Was mir sehr früh auffiel — und ich eher kritisch sehe: Das Backend kann ich aus­schliess­lich un­ver­schlüs­selt über http:// erreichen. Versuche ich einen Aufruf über https://, dann geht das gar nicht erst:

2020, in Zeiten von kos­ten­lo­sen SSL-Zer­ti­fi­ka­ten, ist das ein bisschen ein Ar­muts­zeug­nis. Und dass es besser geht, das weiß auch das nd:

Selbst nutzen sie ein kos­ten­lo­ses Zertifikat von Let’s Encrypt und mir erschließt sich nicht so ganz, warum sie das nicht auch für die Epaper-Seite ein­ge­rich­tet haben. Spätestens an dem Punkt wird es ohne Ver­schlüs­se­lung un­ver­an­wort­lich, an dem die App sich an besagtem Backend anmelden möchte und muss (dazu später mehr): In diesem Moment werden die An­mel­de­da­ten un­ver­schlüs­selt übertragen. Schade. Mit denen kann ich mich dann übrigens auch auf der ei­gent­li­chen Webseite anmelden und so bei­spiels­wei­se die Email­adres­se her­aus­fin­den.

Im Quelltext der Webseite für das Epaper finden sich übrigens auch Hinweise darauf, dass die Rhein-Zeitung vor einigen Jahren mal die gleiche Technik genutzt hat.

Ich schnup­per­te weiter in der Web­schnitt­stel­le, weil mich ja immer noch die Frage in­ter­es­sier­te: Wie ist die App aufgebaut, wie bekommt sie ihre Daten in welchem Format?

PDFs und Bilder

Um es kurz zu machen: Jede Zei­tungs­sei­te ist ein PDF, das einzeln her­un­ter­ge­la­den werden kann. Alle PDFs stehen frei verfügbar im Netz, ich muss also kein Abo haben, um sie zu lesen. Wenn ich über das Netzwerk hinter den beiden Nazis, die Walter Lübcke ermordet haben, nicht im Internet lesen möchte, sondern lieber auf Seite 13 und Seite 12 der Wochenend-Ausgabe vom 15. August 2020 in echtem Zei­tungs­lay­out, so hindert mich kaum etwas daran. Ich muss nur die URLs wissen, aber dazu später mehr. Der Aufbau der URLs ist dabei immer gleich: http://epaper.neues-deutschland.de/eweb/media/nd/$year/$month/$day/pdf/$pdfname. Alles bis auf der PDF-Name ist of­fen­sicht­lich, aber auch der ist kein Hindernis.

Für die Übersicht einer Ausgabe werden Bilder genutzt, auch die stehen frei im Netz, übrigens in ver­schie­de­nen Auf­lö­sun­gen. Ex­em­pla­risch die Seite 12 in klein, mittel, groß und original. Einziger Un­ter­schied: Die Endung des Da­tei­na­mens. Kleine Bilder enden auf _sml, mit­tel­gro­ße auf _mdl, große aufbig und das Original auf _org.

Um die URLs der Bilder und PDFs in Erfahrung zu bringen, ist es notwendig, die URL-Struktur und die Namen zu kennen. Auf die Struktur bin ich schon ein­ge­gan­gen, die Namen der Dateien stehen ebenfalls frei zugänglich im Netz, ex­em­pla­risch wieder für die Wo­chen­end­aus­ga­be von heute die Dateinamen der Seiten 12 und 13:

Ich habe die Antwort vom Server etwas gekürzt., damit es of­fen­sicht­li­cher ist. Welcher Tag mich dabei in­ter­es­siert, kann ich über die URLs steuern.

Texte

Klicke ich in der App auf einen Texte im PDF, kann ich manche Texte in einer anderen Ansicht lesen, vergrößern und mir sogar vorlesen lassen. Die dafür not­wen­di­gen Texte werden ebenfalls vom Server über einen ent­spre­chen­den Endpoint her­un­ter­ge­la­den, die der Ausgabe vom 15. August 2020 liegen hier: http://epaper.neues-deutschland.de/tablet/getallarticle/2020/08/15/a/. Auch hier kann ich über die URL festlegen, von welchem Tag ich die Texte haben will. Wenn ich nicht angemeldet bin, sehe ich auch keine Texte, soweit, so erwartbar:

Habe ich mich eingeloggt, dann sieht das etwas anders aus.

Um mich anzumelden, habe ich ver­schie­de­ne Mög­lich­kei­ten:

Das Ganze lässt sich natürlich auch wunderbar au­to­ma­ti­sie­ren. Kleines Schmankerl: Die Texte für die App komme in zwei Versionen: Einmal mit HTML formatiert und einmal ohne. Für die For­ma­tie­rung wird CSS mit deutschen Klas­sen­na­men genutzt. Als ich das gesehen habe, musste ich schmunzeln:

Fazit

Ich finde Zeitung und App sym­pa­thisch und werde wohl auch nach meinem Probeabo dabei bleiben. Nichts desto trotz finde ich die technische Seite un­zeit­ge­mäß und fahrlässig. Auch wenn das nd in der Hilfe zur App — durchaus nach­voll­zieh­bar — erklärt, warum sie „[…] keine App mit allem Drum und Dran, 360°-Aufnahmen und komplett neuem Design […]“ bauen, so hat diese App seit bald zwei Jahren keine Liebe mehr gesehen. Schade eigentlich, denn das haben weder die App, noch die Le­ser*in­nen verdient

Egal, ob ihr lieber die Texte des nd lieber auf der Webseite lest, oder als PDFs her­un­ter­la­den wollt: Ihr könnt das nd komplett kostenlos lesen. Davon rate ich natürlich ab, denn dem nd geht’s eh schon nicht so gut. Bitte bezahlt für Texte, wenn ihr sie lest und gut findet. Falls dir dieser hier gefallen hat, kannst du natürlich auch dafür zahlen, bei­spiels­wei­se per Paypal.

Ich hatte die Menschen vom neuen deutsch­land am Freitag Abend — schon ein bisschen gemein und spät, muss ich zugeben — schon darauf hin­ge­wie­sen, dass ihre PDFs frei verfügbar sind und es keine Ver­schlüs­se­lung gibt. Sie ant­wor­te­ten sinngemäß:

Wir melden uns!

Ich bin gespannt und hoffe, dass da eine Antwort kommt.

Oder kann man es lassen? » « Unvorstellbar