bullshit

Bittere Brötchen

Heute las ich in „Schulden — die ersten 5000 Jahre“ einen schönen Satz:

Wir klammern uns an das Vorhandene, weil wir uns keine Al­ter­na­ti­ve [zum Ka­pi­ta­lis­mus] mehr vorstellen können, die nicht noch schlimmer ist.

Eigentlich ist es ganz einfach: Ich will in einer Welt mit einem Wirt­schafts­sys­tem leben, das allen Menschen dient. Das Besitz und Wohlstand auf alle aufteilt. In dem Menschen teilen. In dem Wohnraum, Essen, Netze allen gehören und frei genutzt werden können. In dem Menschen keine anderen Menschen hungern, frieren, Angst haben lassen. Ohne Ka­pi­ta­lis­mus, auch ohne grünen. Ohne Faschismus. Oder ohne Fa­schis­t*in­nen, das geht auch. Ohne Rassismus. Ohne Un­ter­drü­ckung. Diese Liste ist un­voll­stän­dig. Eigentlich ganz einfach, oder?

Ich weiß gar nicht, wie lange ich Too Good To Go schon nutze. Und dabei finde ich die App durchaus gut. Für mich fühlt sich das immer noch nach ziemlichem Luxus an: Dass ich mir da eine Tüte mit groß­ar­ti­gen Backwaren von der Bäckerei von umme Ecke holen kann und mehrere Tage lang Brötchen essen kann. Und ja, irgendwie habe ich da auch noch Le­bens­mit­tel gerettet.

Und doch ist es pro­ble­ma­tisch: Die App „löst“ ein Problem, ein absolutes Lu­xus­pro­blem, ausgelöst von der Über­fluss­ge­sell­schaft. Menschen kaufen für kleines Geld übrig gebliebene Backwaren, Suppen und Co. Die ver­meint­li­che Lösung: Grüner Ka­pi­ta­lis­mus, also noch mehr Problem, nur in grün.

Heute las ich, dass das Un­ter­neh­men dahinter mal eben rund 25 Millionen weitere Euro eingesackt hat, nachdem es vor einigen Jahren schon mal 6 kassiert hat und in der Zwi­schen­zeit die eine oder andere Konkurrenz aufgekauft hat. Gefühlt entwickelt sich das Un­ter­neh­men zum Mo­no­po­lis­ten für den ka­pi­ta­lis­ti­schen Kampf gegen Le­bens­mit­tel­ver­schwen­dung.

Sicher, das sind Peanuts verglichen mit den 1,3 Milliarden, die Delivery Hero mal eben für Aktien kassiert hat. Und trotzdem will jemand, dass aus diesen 25 Millionen wesentlich mehr werden. Der Haupt­in­ves­tor dieser Runde listet auf seiner Webseite einige Exits auf. Es fühlt sich so falsch an.

Meine Brötchen haben ab sofort einen bitteren Nach­ge­schmack.

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