Re: Der Mietspiegel hilft auch nicht weiter
Am gestrigen Freitag trafen sich die coolen Kids von Deutsche Wohnen & Co. enteignen vor der Senatsverwaltung, um die restlichen rund 50.000 Unterschriften für den Volksentscheid zu übergeben. Gleichzeitig wurden die benötigten 175.000 gültigen Unterschriften erreicht, die für den Volksentscheid nötig sind. Wäre ich eine Partei, würde ich in den insgesamt ~350.000 Unterschriften ein schönes Wähler*innenpotential sehen, aber die SPD arbeitet mit Dr. Franziska Giffey auf der Seite der Immobilienlobby lieber an einer Stadt der Reichen — und am Ziel 5%-Hürde.
Heute morgen weinte ein alter, weißer Mann rum, dass Enteignen keine neuen Wohnungen schafft — No shit, Sherlock. Hat das jemals irgendwer behauptet? Es geht darum, bestehenden Wohnraum bezahlbar zu machen und etwaige Profite nicht in den Taschen irgendwelche Milliardäre verschwinden zu lassen. Damit mehr für mehr bezahlbaren Neubau bleibt. Wenn Steuergeld ein Problem sein sollte, könnte man ja mit Vermögens- und höheren Unternehmenssteuern arbeiten oder Steuerflucht und -hinterziehung bekämpfen, aber andere Thema.
Laut Posener heisst die Lösung für das Wohnungsproblem hingegen: Nix ändern, mehr Neubau, auch auf dem Tempelhofer Feld, und notfalls sollen die Leute halt an den Rand der Stadt ziehen. Der Markt regelt schon irgendwie, keine Panik. Das riecht ziemlich nach SPD. Posener nennt es „mehr Experimente“, man könnte aber auch sagen: „Keine Experimente, weiter so wie bisher mit dem Kapitalismus“, weil weiter so wie bisher bisher so gut funktioniert hat.
Man sieht am Wohnungsmarkt ziemlich gut, dass der Markt hervorragend als Umverteilungswerkzeug von unten nach oben funktioniert, er aber in gewissen Bereichen nichts zu suchen hat. Grund- und Menschenrechte dürfen keine Frage des Geldbeutels sein, sie dürfen nicht dem Markt überlassen werden.
Ich finde es deshalb wirklich gut, dass mit Mietendeckel und Vergesellschaftung mutige, neue Wege versucht werden — man könnte fast sagen: Experimente? Ja, der Berliner Mietendeckel ist gescheitert, aber dass er scheiterte, war nicht so klar, wie viele hinterher behaupteten. Im Gegenteil: Das Fehlurteil hätte auch anders ausgehen können, war schlussendlich aber Klassenjustiz. Jetzt halt bundesweiter Mietendeckel und Vergesellschaftung — übrigens haushaltsneutral.
Mich macht der Text — der mittlerweile ironischerweise hinter einer Paywall verschwunden ist — von Alan Posener traurig. Es macht mich traurig, dass er sich keine andere Zukunft, keine bessere Alterative, keine andere Gesellschaft ausmalen kann. Dass er Kapitalismus und „weiter so“ als gesetzt sieht. Ich habe Bock auf eine bessere, gerechtere Zukunft für alle, nicht für wenige, ohne Ausbeutung, ohne Unterdrückung, ohne Menschenverachtung — und deshalb: Ohne Kapitalismus.
Wenn wir dabei ein paar Menschen an die Verpflichtungen erinnern müssen, die durch Eigentum erwachsen, sollten sie froh sein, dass wir Vergesellschaftung nutzen — und nicht mit Fackel und Mistgabel zu Kaffee und Kuchen erscheinen. Marktwirtschaft und Kapitalismus stehen übrigens nicht im Grundgesetz. Menschenwürde, „Eigentum verpflichtet“ und „Vergesellschaftung“ schon.
Wir sind als Menschen, als Demokratie, als Gesellschaft nicht machtlos. Es ist höchste Zeit, sich dieser Macht, dieser Verantwortung bewusst zu werden, sich ihr zu stellen, sie zu nutzen und gemeinsam an einer besseren Zukunft für alle zu bauen. Dazu gehört auch: Leerstand, Spekulation, überteuerte Mieten bekämpfen — und dem Markt die Grenze aufzeigen.
Wir sind viele. Packen wir's an.