bullshit

22:33

Der Kul­tur­ba­nau­se war in der Oper. Und das kam so: Vor rund einer Woche ging ich abends spazieren. Ich spazierte an einem Plakat vorbei, das auf eine Po­di­ums­dis­kus­si­on mit dem klang­vol­len Namen „Ka­pi­ta­lis­mus für immer?“ hinwies. Unabhängig davon, dass die Antwort bereits ein Meme ist, ging ich einen Abend später zu besagter Po­di­ums­dis­kus­si­on mit klang­vol­lem Namen.

Auf dem Podium dis­ku­tier­te man krank­heits­be­dingt in ver­än­der­ter Runde trotzdem gut und wir stritten uns hinterher auf der Terasse — es gab Wasser und Wein und Finger Food, das aber keine Finger enthielt. Ich dis­ku­tier­te mit einem älteren Mann, der bei der Oper in leitender Position arbeitet und obwohl wir uns einig waren, dass wir uns nicht einig waren, dis­ku­tier­ten wir, bis wir gingen.

Vorher erzählte er noch, dass es die Classic Card jetzt als App gäbe. Mit der Classic Card, also der App, kommt man als junger Mensch in Berlin günstig(er) in den Genuss von Oper, Theater, Ballett, Konzert und Co. — also den Genuss so­ge­nann­ter legitimer Kultur. Ein bisschen Reiche-Leute-Hobby für die jüngere Generation. Die Classic Card war übrigens mein schlechtes Corona-Investment — die erste kaufte ich mir im März 2020. Genutzt habe ich sie nie.

Zum Abschied meinte ich, dass ich mir das nochmal anschauen würde, denn auch wenn Studieren in dieser Ge­sell­schaft über Probieren geht, so geht Probieren manchmal über Studieren.

Am Freitag ging ich also in die Staatsoper Unter den Linden — es lief Turandot von Puccini. Alle Zu­schau­er*in­nen und alle, die dort arbeiteten, waren besser eleganter an­ge­mes­se­ner anders angezogen als ich mit meinem Sea Watch-Tshirt, was mir aber herzlich egal war, denn ich war besser und eleganter angezogen. Einen guten Platz hatte ich darüber hinaus auch. In­ter­es­sant zu sehen, wie die Mauern der Ge­sell­schaft wirken. Eventuell war das mit ein Grund, warum ich in die Oper gegangen bin.

Weil mein Ita­lie­nisch nicht so gut ist wie mein Fran­zö­sisch und mein Fran­zö­sisch schlecht, war ich dann doch ganz froh, dass es Obertitel in deutscher und englischer Sprache gab. Viel Handlung gibt es zwar eh nicht in der Oper und auch sonst war die Geschichte eher toxisch und etwas un­glaub­wür­dig. Spaß hatte ich trotzdem, die Musik fand ich gut, das eine oder andere Stück hatte ich auch schon mal gehört. Die Künst­ler*in­nen, ihre Leistung und die In­sze­nie­rung waren durchaus be­ein­dru­ckend — Autokratie-Optik inklusive.

Ich sollte häufiger spazieren gehen.

Re: betriebsbesetzungen und arbeiten in selbstverwaltung » « 12:35