Nathan Mattes https://bullenscheisse.de/ wegwerf@bullenscheisse.de bullshit tag:bullenscheisse.de,2011-06-11:/atom/ https://bullenscheisse.de/favicon.ico https://bullenscheisse.de/feed-logo.png 2023-06-15T00:00:00Z acrylamid 23:34 tag:bullenscheisse.de,2023-06-15:/2023/23-34 2023-06-15T00:00:00Z Nathan Mattes https://bullenscheisse.de/ wegwerf@bullenscheisse.de <p>dies ist im wesentlichen eine angereicherte version <a href="https://chaos.social/@zeitschlag/109444762483927611">einer reihe von toots</a>, die ich im dezember 2022 verfasst habe. bei der großartigen junaimnetz gab's mal eine reihe „<a href="https://junaimnetz.de/category/prokrastinieren-mit-popsongs">prokrastinieren mit popmusik</a>“ und in diese richtung geht es, aber im gegensatz zu mir hat juna ahnung von der materie.</p> <p>manchmal höre ich deutsche popmusik. manchmal bilde ich mir was darauf ein, sie nur manchmal zu hören. ich <em>geniesse</em> die musik nicht, ich höre sie. popmusik ist mir oft zu konstruiert, oft zu eingängig. aber manchmal genau das, was ich möchte. oder brauche. vielleicht habe ich extra apple music, damit dieses guilty pleasure, das kein guilty pleasure ist, keinen einfluss auf die empfehlungen bei spotify hat. und so hörte ich vor geraumer zeit „<a href="https://www.youtube.com/watch?v=YScncKo0yRY">wildberry lillet</a>“ von <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Nina_Chuba">nina chuba</a>. dazu schrieb ich:</p> <p>these: nina chuba hat, wie so viele, auch wohlhabende, eigentlich gar keinen bock auf kapitalismus und die folgen.</p> <p>aber anstatt das problem strukturell und somit nachhaltig zu lösen, reicht es ihr, wie so vielen, vor allem wohlhabenden, wenn die folgen sie und ihr direktes umfeld individuell aufgrund ihrer privilegien (immos, dollars, lila, das sich stapelt, private jet in der garage) nicht treffen.</p> <p>ich würde jetzt nicht soweit gehen und behaupten, dass nina chuba antikapitalistisch drauf und kommunismus-fan wäre, aber doch, ist sie eigentlich, nur halt ausschliesslich für sich und ihr umfeld, konkret: ihre mama und alle ihre freund*innen. ihr ist dabei explizit kein vorwurf zu machen, denn wir machen es alle so. oder, wie <a href="https://twitter.com/tante/status/1534079075177967618">tante</a> es auf twitter formulierte:</p> <blockquote> <p>Eine von David Graeber's wichtigsten Erkenntnissen war, dass wir selbst in massiv kapitalistischen Systemen einen Großteil unserer Leben nach kommunistischen Ideen strukturieren. Weil wir alle keine Soziopathen sind. — quelle: <a href="https://twitter.com/tante/status/1534079075177967618">internet</a></p> </blockquote> <p>wie <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Haftbefehl_(Rapper)">hafti</a>, der sich hochgearbeitet hat, was aber nicht anerkannt wird, weshalb er mit seinem reichtum flext, flexen muss, flext auch nina chuba. nur war hafti kein gefeierter kinderdarsteller. <a href="https://www.youtube.com/watch?v=BbAfFO44oOQ">aber es kann ja auch nicht jede*r haftbefehl werden</a>.</p> <p>zurück zur ursprungsthese, die lässt sich nämlich auch noch weiter, noch allgemeiner fassen, wenn man quasi rauszoomt: fast allen geht es in diesem system, im kapitalismus scheisse. wir versuchen nur mit unterschiedlichen mitteln, dass die folgen uns verschonen. manche beuten andere menschen aus, treten also nach unten. manche bauen sich halbwegs geschützte inseln. manche bekämpfen das system direkter oder indirekter, durch dienst nach vorschrift, SiLeNt QuItTiNg oder eben millitanter und offensiver.</p> <p>ich bin mir ziemlich sicher, dass schon andere, klügere köpfe auf diese gedanken gekommen sind und die gründe erarbeitet haben, warum wir uns nicht zusammenschliessen (angst? erschöpfung? unwille?). und natürlich lösungsansätze, wie man damit umgeht und die bessere welt auch gegen den widerstand von herrschenden, antidemokratischen klassen und ihren schlägertruppen (vulgo: polizei) durchsetzt.</p> <p>man kann auch echt keine schlechte popmusik mehr hören, ohne nicht direkt antikapitalistische revolutionsgelüste zu bekommen. aber vielleicht sollte mein anspruch an deutsche popmusik nicht sein, dass sie die herrschenden und herrschenden zustände umstoßen und durch eine bessere gesellschaftsform ersetzen will.</p> 10:02 tag:bullenscheisse.de,2023-05-12:/2023/10-02 2023-05-12T00:00:00Z Nathan Mattes https://bullenscheisse.de/ wegwerf@bullenscheisse.de <p>in diesem haushalt hat man ein großes herz für besetzte und kollektivbetriebe, das ist sicherlich <a href="https://bullenscheisse.de/2022/re-betriebsbesetzungen-und-arbeiten-in-selbstverwaltung/">kein geheimnis</a>. aber in diesem haushalt handhabt man den haushalt eher … sagen wir mal: pragmatisch. nicht gut, wie besuch anmerkte, aber meistens bin ich alleine und es juckt mich auch nicht besonders — ich bin froh und auch ein bisschen stolz, dass ich mittlerweile zumindest einmal am tag den abwasch erledige.</p> <p>es gibt ein paar reinigungsfirmen in berlin, die fair sein wollen, beispielsweise <a href="https://kehrwork.de/">kehrwork</a> oder <a href="https://www.klara-gruen.de/">klara grün</a>. das neue deutschland hat letztens mit <a href="https://www.nd-aktuell.de/artikel/1171977.care-arbeit-im-kleinen-damit-anfangen-toxische-strukturen-aufzuloesen.html">katharina florian, der gründerin von kehrwork gesprochen</a>. nur sind die meisten klassische, ausbeuterische unternehmen: die profite bleiben bei den eigentümer*innen, das sind üblicherweise nicht die arbeiter*innen und genau das ist das problem. es gibt bessere, sogar ziemlich gute arbeitsbedingungen, die chef*innen wollen sich um ihre leute kümmern, aber sie bieten keine nachhhaltige lösung, keine antwort auf die systemfrage, die verteilungsfrage. dazu kommt startup-sprech — das riecht ein bisschen nach greenwashing, ich möchte aber nichts unterstellen.</p> <p>alleine durch die eigentumsverhältnisse reproduzieren diese firmen undemokratische machtstrukturen, abhängigkeitsverhältnisse und hierarchien. trotzdem wünsche ich ihnen natürlich erfolg, denn in dieser welt ist leider auch ein so winziger schritt in die richtige richtung immerhin schon ein schritt und bessere arbeitsbedingungen sind besser als nichts.</p> <p>aber genau deshalb sind kollektivbetriebe so großartig: sie bieten auf genau diese fragen eine mögliche antwort. alle, die mitarbeiten und mitreden wollen, können das tun. werden profite erwirtschaftet, bleiben sie bei den leuten, die sie erwirtschaftet haben.</p> <p>aus gründen kommt heute deshalb ein mensch von der <a href="https://reinigungscoop.wordpress.com/">reinigungscoop</a>. es ist zu einem gewissen grad ein versuch, den ich mir leisten möchte — und kann. zu einem gewissen grad schäme ich mich etwas dafür, dass das notwendig ist, zum anderen finde ich das ein sehr cooles projekt, von dem ich will, dass es erfolg hat.</p> 21:57 tag:bullenscheisse.de,2023-04-11:/2023/21-57 2023-04-11T00:00:00Z Nathan Mattes https://bullenscheisse.de/ wegwerf@bullenscheisse.de <p>am wochenende hatte ich frei, wobei frei in diesem fall heisst, dass ich bis auf ein paar stunden hier und da nicht ständig gearbeitet habe. auf jeden fall hatte ich mal wieder mehr zeit, um zeitung zu lesen. aber anstatt die nase in meine wochenzeitung zu stecken, steckte ich mein geld in die beiden aktuellen ausgaben der <a href="https://www.akweb.de/">analyse&amp;kritik</a> und <a href="https://jungle.world/">jungle world</a>. das hat sich so etabliert: die beiden sind, sofern ich sie auftreiben kann, meine urlaubslektüre und ich überlege seitdem ein bisschen, mein nd-abo durch eine der beiden zu ersetzen.</p> waschsalon tag:bullenscheisse.de,2023-01-15:/2023/waschsalon 2023-01-15T11:25:00Z Nathan Mattes https://bullenscheisse.de/ wegwerf@bullenscheisse.de <p>urlaub. endlich raus. raus aus der stadt. raus aufs land. alles geplant, kaum etwas gebucht. nur die hinfahrt, geplant ist eine kleine rundreise. klamotten für ein paar tage, denn: geplant ist, bei freund*innen zu waschen. die freund*innen fallen aus. corona. gut, dass ich nichts gebucht habe, also plane ich anders, fahre anders, buche anders als geplant. raus aus dem land, das ist nichts für mich. rein in die stadt.</p> <p>das ungelöste problem der ungewaschenen wäsche aber bleibt. sonntag, google maps, waschsalon. es gibt sie, aber es gibt ein problem: sonntags haben sie geschlossen. also montag morgen. vorbei am späti, anschliessend mit einer mate — man soll ja immer das gute sehen, auch in dieser scheiß gentrizifierung — und einer zeitung in den waschsalon direkt nebenan. nur barzahlung, aber das stand ja schon im internet.</p> <p>waschen drei fünfzig, trocknern einst ein euro für fünfzehn minuten. jetzt sind es drei. waschmittel fünfzig cent, aber der kassenautomat schluckt die münze ohne waschmittel auszuspucken. ich bin mit diesem problem nicht alleine, aber überrascht, wie viele leute montag morgen im waschsalon sind.</p> <p><img alt="" src="https://bullenscheisse.de/2023/waschsalon/waschsalon.jpeg"/></p> <p>also spreche ich eine person an, die ihr eigenes waschmittel dabei hat. sie ist meine rettung, sie teilt und hilft. ich danke ihr herzlich. die nächste halbe stunde sitze ich mangels alternativer sitzgelegenheit auf einer waschmaschine, lese zeitung, trinke mate. ab und zu versucht eine andere person, ein gespräch aufzubauen, wir tauschen gesprächsfetzen. soll ich ihr sagen, dass ich nicht gut mit menschen kann, vor allem small talk?</p> <p>der andere waschsalon um die ecke wäre viel besser und gemütlicher ausgestattet, mit ordentlichen sitzgelegenheiten, meint sie, aber wahrscheinlich deshalb voller. keine maschine frei. wir sind beide zum ersten mal hier, sie aber auch nur, weil ihre waschmaschine kaputt ist und sie sich keine neue leisten kann. und dann wäre da noch die lieferung, vierter stock, kein aufzug, siebzig euro. wir witzeln, dass wir kündigen und einen waschsalon aufmachen. scheint sich ja zu rechnen.</p> <p>ein weiteres mal wird mir bewusst, wie teuer es ist, arm zu sein, wie viel mehr man relativ und absolut bezahlen muss, wenn nicht genug geld vorhanden ist. eine eigene waschmaschine rechnet sich relativ schnell, während mich jeder besuch in diesem salon schnell mal zehn euro oder mehr kosten kann. aber der markt regelt und er ist gnadenlos. nein. der mensch regelt und er ist gnadenlos.</p> <p>meine waschmaschine ist fertig. ich fülle die wäsche in den trockner. fünfzehn minuten. drei euro. weiter mit der zeitung. nach fünfzehn minuten ist die wäsche noch nicht ganz trocken. weitere fünfzehn minuten. weitere drei euro. ich fühle kaum etwas.</p> <p>die andere person fragt, ob ich ihr einen schein kleinmachen könne. sie müsse noch trocknern. kann ich nicht, aber ich kann ihr das fehlende geld auch einfach geben. so wie mir mit waschmittel geholfen wurde. wenn der kapitalismus nicht zuschaut, teilt man einfach. ist da etwas wärme, wut?</p> 12:23 tag:bullenscheisse.de,2022-09-24:/2022/12-23 2022-09-24T12:23:00Z Nathan Mattes https://bullenscheisse.de/ wegwerf@bullenscheisse.de <p>obwohl ich eigentlich nicht gerne mit menschen rede, gibt es hotlines, bei denen ich wirklich, wirklich gerne anrufe. weil es jedes mal nett ist. die vom <a href="https://www.nd-aktuell.de/">nd</a> ist so eine. kurz bevor ich in den urlaub fuhr, fiel mir nämlich ein, dass da ja noch ein zeitungsabo ist, mit dem ich im urlaub wenig anfangen könnte. also rief ich an.</p> <p>es gäbe mehrere optionen. zum beispiel könnte ich das abo einfach pausieren und bekäme dann selbstverständlich das geld zurück. oder ich spende mein abo in der zeit einfach. oder ich bekomme statt der analogversion einfach die digitale ausgabe. das klang gut, denn auch im <a href="https://twitter.com/zeitschlag/status/1568949739357347841">urlaub rentnere ich wochenends gerne vor mich hin</a>. und so entschied ich mich dafür.</p> <p>kurz pause, dann: einen moment, bitte. es gäbe da ein kleines problem und zwar gäbe es die option gar nicht, <em>nur</em> die wochenendausgabe in digital zu bekommen. sondern nur die ganze woche inklusive wochenende. das sei wahrscheinlich kein problem, oder? nein, natürlich sei das kein problem. alles klar, dann machen wir das jetzt einfach so.</p> <p>eine woche später bekam ich ein foto von der post, die am wochenende in meinem briefkasten war. darunter: die gedruckte ausgabe von nd.Die Woche. weil man dem nd sehr einfach einfach so <a href="https://www.nd-aktuell.de/abo/freiwillig-zahlen.php">geld zukommen lassen kann</a>, tat ich das dann mit dem differenzbetrag für einen monat abo.</p> <p>der vollständigkeit halber: ich bin überzeugter genosse in der <a href="https://nd-genossenschaft.de/">nd.Genossenschaft</a>, habe also selbst ein interesse daran, <em>meiner</em> zeitung nicht zu schaden. auch, weil ich will, <a href="https://www.nd-aktuell.de/artikel/1166440.nd-genossenschaft-prozent-fuer-den-sozialismus.html">dass es diese zeitung noch lange gibt</a>.</p> taxi fahren tag:bullenscheisse.de,2022-09-03:/2022/taxi-fahren 2022-09-03T16:02:00Z Nathan Mattes https://bullenscheisse.de/ wegwerf@bullenscheisse.de <p>ich fahre selten <a href="https://bullenscheisse.de/2019/berlkoenig/">taxi</a>, sondern meistens öpnv oder mit dem rad. aber mal vom ikea nach hause. oder mal um eine beziehung zu retten. oder halt mit unmengen gepäck von und zum bahnhof.</p> <p>heute war auf jeden fall so ein tag. ich rief bei der taxizentrale an, die bei google ganz oben auftauchte, weil ich keine app nutzen wollte. das taxi stünde in fünf minuten vor meiner tür und natürlich kann ich mit karte zahlen, vielen dank, der herr, schönes wochenende, auf wiederhören. fünf minuten später kam eine sms, dass das taxi in drei minuten an meinem standort wäre. es kam dann sechs minuten später, es stand aber auch keine beziehung auf dem spiel.</p> <p>im taxi unterhielt wir uns, der fahrer und ich. er fährt seit 28 jahren taxi, ist aber mittlerweile in rente, die aber nicht reicht, weswegen er noch etwas fährt. die prüfungen würden ihm nur immer schwerer fallen. ich lebe seit 30 jahren, bin noch lange nicht in rente und lol, was ist rente überhaupt? kapitalismus ist scheisse.</p> <p>er erzählte, dass ein ehemaliger kollege von ihm auch noch mit 81 jahren taxi gefahren wäre, aber immer nur die entspannten fahrten. er würde aber auch nicht mehr lange fahren, weil die prüfungen, die würde er nicht mehr lange schaffen. und auch, weil er von erst vom randbezirk in die stadt pendeln muss.</p> <p>früher wäre vieles besser gewesen, sagte er. es hätte kein uber gegeben, die mit ihrer preispolitik alles kaputt gemacht hätten. ich erinnere mich daran, dass ein guter freund und ich vor einer ewigkeit eine ewigkeit am <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Hard_Rock_Stadium">stadion der miami dolphins</a> warteten, weil sie wissen schon, der markt regelt und öpnv war da nicht. letztens wäre erst jemand für hundert euro vom flughafen in die stadt gefahren; bei ihm hätte das vierzig gekostet. uber ist scheisse.</p> <p>und bis vor einiger zeit hätte es sprechfunk gegeben, der wurde aber mittlerweile abgeschaltet wurde, seidem ist es einsam. das wäre gut gewesen, weil die fahrer*innen sich untereinander austauschen konnten. jetzt hätten alle diese smartphones und die würden ja auch blöd machen. aber mit sprechfunk konnte man sich untereinander austauschen. oder wenn mal wieder eine vorstellung im friedrichstadtpalast vorbei war und nicht genug taxen da waren, hätte da jemand durchgefunkt. und man konnte um hilfe bitten. es gab eine gemeinschaft. er hätte bis zum schluss gefunkt. danach ist es einsam geworden, viel einsamer.</p> <p>jetzt aber gibt es keinen sprechfunk mehr, nur noch diese smartphones. aber ob ich mal gefahren bin, während ich nebenbei am handy rumgespielt habe? das ist doch auch einfach gefährlich. auch das wäre früher, also mit sprechfunk, besser gewesen. und außerdem gäbe es da jetzt nicht mehr viele kleine, sondern es würde alles über diese apps laufen, über eine grosse firma. das ist scheisse.</p> <p>die taxizentralen sind nicht besonders traurig, dass es keinen sprechfunk mehr gibt und sie somit als gatekeeper an fast jedem auftrag mitverdienen und funklizenzen sind ja auch einfach teuer. kapitalismus ist scheisse. kapitalismus ist unmenschlich, menschenverachtend.</p> <p>ich fahr selten taxi. wenn, dann aber mit trinkgeld. in bar.</p> 12:35 tag:bullenscheisse.de,2022-08-16:/2022/12-35 2022-08-16T12:35:00Z Nathan Mattes https://bullenscheisse.de/ wegwerf@bullenscheisse.de <blockquote> <p>If I entered a room and found a sofa covered with your hide I'd score very high on the Voigt-Kampff test.</p> <p>— aus: Philip K. Dick, <a href="https://en.wikipedia.org/wiki/Do_Androids_Dream_of_Electric_Sheep%3F">Do Androids Dream of Electric Sheep?</a></p> </blockquote> 22:33 tag:bullenscheisse.de,2022-07-04:/2022/22-33 2022-07-04T22:33:00Z Nathan Mattes https://bullenscheisse.de/ wegwerf@bullenscheisse.de <p>Der Kulturbanause war in der Oper. Und das kam so: Vor rund einer Woche ging ich abends spazieren. Ich spazierte an einem Plakat vorbei, das auf eine Podiumsdiskussion mit dem klangvollen Namen „<a href="https://mobile.twitter.com/HoltzbrinckBLN/status/1542484893661384704">Kapitalismus für immer</a>?“ hinwies. Unabhängig davon, dass die Antwort bereits ein <a href="https://www.youtube.com/watch?v=GeZs9FqCxLM">Meme</a> ist, ging ich einen Abend später zu besagter Podiumsdiskussion mit klangvollem Namen.</p> <p>Auf dem Podium diskutierte man krankheitsbedingt in veränderter Runde trotzdem gut und wir stritten uns hinterher auf der Terasse — es gab Wasser und Wein und Finger Food, das aber keine Finger enthielt. Ich diskutierte mit einem älteren Mann, der bei der Oper in leitender Position arbeitet und obwohl wir uns einig waren, dass wir uns nicht einig waren, diskutierten wir, bis wir gingen.</p> <p>Vorher erzählte er noch, dass es die <a href="https://www.classiccard.de/de/">Classic Card</a> jetzt als App gäbe. Mit der Classic Card, also der App, kommt man als junger Mensch in Berlin günstig(er) in den Genuss von Oper, Theater, Ballett, Konzert und Co. — also den Genuss sogenannter <em>legitimer</em> Kultur. Ein bisschen Reiche-Leute-Hobby für die jüngere Generation. Die Classic Card war übrigens mein schlechtes Corona-Investment — die erste kaufte ich mir im März 2020. Genutzt habe ich sie nie.</p> <p>Zum Abschied meinte ich, dass ich mir das nochmal anschauen würde, denn auch wenn Studieren in dieser Gesellschaft über Probieren geht, so geht Probieren manchmal über Studieren.</p> <p>Am Freitag ging ich also in die Staatsoper Unter den Linden — es lief <a href="https://www.staatsoper-berlin.de/de/veranstaltungen/turandot.10340/#event-52897">Turandot von Puccini</a>. Alle Zuschauer*innen und alle, die dort arbeiteten, waren <del>besser</del> <del>eleganter</del> <del>angemessener</del> anders angezogen als ich mit meinem Sea Watch-Tshirt, was mir aber herzlich egal war, denn ich war besser und eleganter angezogen. Einen guten Platz hatte ich darüber hinaus auch. Interessant zu sehen, wie die Mauern der Gesellschaft wirken. Eventuell war das mit ein Grund, warum ich in die Oper gegangen bin.</p> <p>Weil mein Italienisch nicht so gut ist wie mein Französisch und mein Französisch schlecht, war ich dann doch ganz froh, dass es Obertitel in deutscher und englischer Sprache gab. Viel Handlung gibt es zwar eh nicht in der <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Turandot_(Puccini)">Oper</a> und auch sonst war die Geschichte eher toxisch und etwas unglaubwürdig. Spaß hatte ich trotzdem, die Musik fand ich gut, das eine oder andere Stück hatte ich auch schon mal gehört. Die Künstler*innen, ihre Leistung und die Inszenierung waren durchaus beeindruckend — Autokratie-Optik inklusive.</p> <p>Ich sollte häufiger spazieren gehen.</p> Re: betriebsbesetzungen und arbeiten in selbstverwaltung tag:bullenscheisse.de,2022-01-14:/2022/re-betriebsbesetzungen-und-arbeiten-in-selbstverwaltung 2022-01-14T16:05:00Z Nathan Mattes https://bullenscheisse.de/ wegwerf@bullenscheisse.de <p>Weihnachten hat sich <del>dieses</del> letztes Jahr so richtig gelohnt, also auch aus einer Geschenkeperspektive. Mitte Ende (oder Ende Mitte?) November las ich in der monatlichen OXI-Beilage im nd <a href="https://oxiblog.de/betriebsbesetzungen-azzellini-besetzen-produzieren/">einen Artikel</a> über ein <a href="https://www.vsa-verlag.de/nc/detail/artikel/vom-protest-zum-sozialen-prozess/">Buch</a> mit dem schönen Untertitel „betriebsbesetzungen und arbeiten in selbstverwaltung“ von <a href="https://www.azzellini.net/">Dario Azzellini</a>. Mein Interesse war geweckt und <del>meine Erwartung an den Weihnachtsdude</del> der Wunsch nach diesem Buch kommuniziert. Dann passierte vier Wochen nichts, dann kam das Päckchen und dann fing ich an zu lesen (und gelegentlich auf <a href="https://twitter.com/zeitschlag/status/1478488746270023685">Twitter zu pöbeln</a>). Noch habe ich das Buch nicht ganz durchgelesen, aber ich habe das Bedürfnis, erste, halbfertige Gedanken und Fragen im Blog zu formulieren.</p> <p>In dem Buch geht es um rückeroberte Betriebe unter Arbeiter*innenkontrolle (RBA). Anhand von Beispielen aus unterschiedlichen Ländern (u.a. Frankreich, Griechenland, Türkei, Ägypten, USA, Italien, Argentinien, Brasilien, Uruguay) stellt Dario Azzellini verschiedene RBA und ihre Geschichte vor, arbeitet Gemeinsamkeiten heraus und stellt Unterschiede und Umstände fest.</p> <p>Dabei werden Betriebsbesetzungen oft als Maßnahme des Arbeitskampfes gesehen: Es geht also noch mehr, noch radikaler als „nur“ Streik: Man kann auch einfach ganze Betriebe übernehmen. Die meisten RBA entstehen dabei allerdings aus der Defensive, spontan und aus der Not heraus: Betriebe werden geschlossen, Löhne nicht gezahlt, Maschinen abgebaut. Die Besetzung ist also eine Reaktion, um die Arbeitsplätze zu erhalten. Politisch wird es erst im Laufe der Besetzung. Außerdem geht es häufig um produzierendes Gewerbe: Eine <a href="https://www.newerawindows.com/Content/newerawindows.com.html">Fabrik für Fenster</a>, <a href="https://www.1336.fr/">eine für Tee</a>, eine, <a href="https://viomecoop.com/">die jetzt Reinigungsmittel und Seife</a> oder eine, die <a href="https://www.nd-aktuell.de/artikel/1150854.selbstverwaltung-schnelltests-aus-der-kooperative.html">Corona-Antikörpertests herstellt</a>. </p> <p>Ausnahmen, wie das <a href="https://en.wikipedia.org/wiki/Hotel_Bauen">Hotel Bauen in Buenos Aires</a>, das infolge der Pandemie geschlossen werden musste, bestätigen die Regel. Ich mag an dem Buch, dass es Alternativen aufzeigt, dass es zeigt, was möglich ist mit Solidarität und Durchhaltevermögen. Dadurch eröffnet es mir eine neue Perspektive, vermittelt neue Ideen, lässt meinen Kopf arbeiten und staunen. </p> <p>Spannend und unter Umständen auch für den ✨grünen Kapitalismus✨ interessant:</p> <blockquote> <p>Ein Teil der Betriebe musste sich neu erfinden, häufig kann die vorherige, produktive Tätigkeit nicht auf die gleiche Weise ausgeführt werden, weil die Maschinen vom Eigentümer entfernt wurden; weil es eine hochspezialisierte Tätigkeit war, mit sehr wenigen Kunden, zu denen die Arbeiter*innen keine Zugang haben; weil die notwendigen Rohstoffe zu teuer sind; oder weil die Arbeiter*innen dies aus anderen Gründen, wie z.B. Umwelt- oder Gesundheitsschädlichkeit, beschliessen. — aus: <a href="https://www.vsa-verlag.de/nc/detail/artikel/vom-protest-zum-sozialen-prozess/">vom protest zum sozialen prozess</a>, S. 63</p> </blockquote> <p>Menschen und RBA sind also ziemlich innovativ, wenn man sie mal machen lässt. Statt <a href="https://www.rbb24.de/wirtschaft/beitrag/2021/11/berlin-daimler-autobauer-werk-marienfelde-zukunft-elektro.html">Elektromotoren für unnötige Luxusautos zu bauen</a> könnte man ja auch überlegen, das Daimler-Werk in Berlin-Marienfelde zu besetzen und Komponenten für E-Busse oder E-Bikes produzieren.</p> <p>Aktuell beschäftigen mich noch ein paar Fragen:</p> <ul> <li>Warum mit der Rückeroberung von Betrieben warten, bis sie von ihren Eigentümer*innen aufgegeben werden? Was spricht eigentlich dagegen, profitable, gutlaufende Unternehmen zurückzuerobern und unter Arbeiter*innenkontrolle zu stellen? Also: Warum nicht Aktion, statt nur Reaktion? Aus Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren? Aus Angst, dass es illegal sein könnte?</li> <li>Wie kann man Dienstleistungsunternehmen zurückerobern, vielleicht sogar solche, die digitale Produkte und Dienstleistungen entwickeln und vertreiben? Bei Hotels, Restaurants oder Essenslieferdiensten kann ich mir das vorstellen, aber wie übernimmt und nutzt man Arbeitsmittel und Kund*innenbeziehungen einer Werbeagentur, einer Softwareklitsche?</li> <li>Wie kriegen wir mehr Betriebe unter Arbeiter*innenkontrolle, ob rückerobert oder aufgekauft, in Europa? Wollen wir überhaupt mehr Demokratie in Unternehmen und anders arbeiten? Oder finden wir's eigentlich ganz geil, alle Welt und uns selbst bequem auszubeuten?</li> </ul> <p>Ich mag an dem Buch auch, dass es mich mich fragen lässt: Wie will ich eigentlich in Zukunft arbeiten? Und die Antwort geht immer mehr in Richtung Selbstverwaltung. Fehlt mir nur noch der Mut. </p> <hr /> <p>Die <a href="https://gemein-vertrieb.de/?filter_brand=vio-me">Seifen von Vio.Me</a> oder die <a href="https://gemein-vertrieb.de/?filter_brand=scop-ti">Tees von Scop-Ti</a> bekommt ihr übrigens unter Anderem bei <a href="https://gemein-vertrieb.de/">gemein-vertrieb.org</a> oder bei <a href="http://veganladen-kollektiv.net/veganladen/">Dr. Pogo in Berlin-Neukölln</a>.</p> Das ist halt so. tag:bullenscheisse.de,2021-12-23:/2021/das-ist-halt-so 2021-12-23T11:02:00Z Nathan Mattes https://bullenscheisse.de/ wegwerf@bullenscheisse.de <p>Dieses Jahr habe ich den einen oder anderen Abend im Dezember damit verbracht, <a href="https://www.chefkoch.de/rezepte/29321007560010/Vanillekipferl.html">Vanillekipferl</a> zu backen und sie an Freund*innen und Familienmitglieder zu verschicken. Die Päckchen sind mittlerweile alle angekommen und die Reaktionen reichen von „Das ist nicht fancy geil, aber bodenständig geil, aber geil!“ über „Vielen Dank für die leckeren Plätzchen 🎄“ bis zu einem „Die sind sensationell gut!“.</p> <p>Ob das Feedback nur deshalb nur so gut ist, weil die Leute Kipferl von mir bekommen haben? Wir werden es wohl nie erfahren und es ist mir eigentlich auch egal, weil jede Person, die sich beschwert, wird halt nächstes Jahr nicht mehr bedacht. Ganz einfach.</p> <p>Meine Oma rief gestern Abend an, weil sie sich für das Päckchen bedanken wollte und wir unterhielten uns. Irgendwann kamen wir zu dem Punkt, dass ich in einem Alter bin, in dem mein Vater mein Vater wurde und ich sagte, dass ich es da nicht eilig habe. Sie entgegnete daraufhin: „Das ist halt so. Das sagt man eh viel zu selten: Das ist halt so.“</p> <p>Das ist halt so. Das ist halt so. In mir zog sich in dem Moment so viel zusammen und ich dachte: Nein. Nein, das ist nicht so. So viel ist so, weil wir uns damit abgefunden haben. Das ist halt nicht so, weil wir es nicht mehr ändern können, sondern das ist halt so, weil wir es nicht mehr ändern wollen.</p> <p>Impfpatente und tausende, vermeidbare Tote? Das ist halt so. Omikron? Das ist halt so. Nazis in Behörden? Das ist halt so. Klimakatastrophe und Weltuntergang? Das ist halt so. Kapitalismus? Das ist halt so.</p> <p>Das muss halt nicht so sein.</p> <hr /> <p>Ein lieber Mensch drückte mir letztens „<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/R%C3%BCckkehr_nach_Reims">Rückkehr nach Reims</a>“ von Didier Eribon in die Hand. Da las ich heute:</p> <blockquote> <p>»Ich bin Analphabetin«, sagte sie in einem Ton, der nicht Auflehnung oder Wut ausdrückte, sondern den resignierten Fatalismus, mit dem sie sich ihre Lebensumstände als unabänderliches Schicksal zurechtlegte und der alle ihre Gesten und Aussagen prägte.</p> </blockquote> <p>und musste an das Telefonat mit meiner Oma denken.</p> Guardians of the Galaxy tag:bullenscheisse.de,2021-11-27:/2021/guardians-of-the-galaxy 2021-11-27T22:29:00Z Nathan Mattes https://bullenscheisse.de/ wegwerf@bullenscheisse.de <p>Ich bin gestern ein bisschen schwach geworden — aus Gründen habe ich gerade nicht sonderlich viel Kraft, da fällt mir das leicht — und habe mir mit „<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Marvel%E2%80%99s_Guardians_of_the_Galaxy">Guardians of the Galaxy</a>“ ein neues Spiel für die Playstation gekauft. Heute morgen kam ich dann zum ersten Mal dazu, die Disc einzulegen und das Spiel zu starten. Und dann war eigentlich auch schon jetzt und ich habe mir nichts, dir nichts ein paar Stunden in dem Spiel versenkt.</p> <p><img alt="" src="https://bullenscheisse.de/2021/guardians-of-the-galaxy/gotg.jpeg"/></p> <p>Auch wenn ich regelmässig abkacke und als Peter „Star-Lord“ Quill im Kampf gegen irgendwelche Monster <del>heldenhaft</del> mein Leben lasse oder schlicht irgendwo runterfalle: Es ist super! Das Spiel ist bunt und es knallt und es fetzt und es macht jede Menge Spaß. Die Story ist dabei eine andere als <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Guardians_of_the_Galaxy">die aus dem gleichnamigen Film</a>. Die Gespräche zwischen den <del>Gärtnern</del> Wächtern sind witzig, die <a href="https://open.spotify.com/playlist/1IaaDKR0912vGUrrRxtTV9">Musik aus den 80ern</a> passt wie die Faust aufs Auge. Kurz: Ich fühle mich einfach gut unterhalten. Und ich konnte mich da heute ein bisschen drin verlieren und das ist im Moment wahrscheinlich genau das, was ich brauche.</p> Re: Ein Haus mit 200 Geschäftsführern tag:bullenscheisse.de,2021-11-14:/2021/re-ein-haus-mit-200-geschaeftsfuehrern 2021-11-14T19:31:00Z Nathan Mattes https://bullenscheisse.de/ wegwerf@bullenscheisse.de <p>Einmal im Monat liegt dem <a href="https://www.nd-aktuell.de/">nd</a> am Wochenende eine Ausgabe von <a href="https://oxiblog.de/">OXI</a> bei. Diese Monatszeitung mit dem Untertitel „Wirtschaft anders denken“ hat in der aktuellen Ausgabe den Schwerpunkt „Gemeinsam machen“ — es geht auch um Genossenschaften und Corinna Meisenbach schreibt aus recht aktuellem Anlass <a href="https://www.nd-aktuell.de/artikel/1158534.genossenschaften-bildet-zeitungsbanden.html">über Genossenschaften bei linken Zeitungen</a>. Wichtiger Bestandteil — und Zielgruppe — solcher linken Zeitungsbanden:</p> <blockquote> <p>Eine treue Leser:innenschaft, der eine Gegenöffentlichkeit wichtig ist ist, um über Themen, Probleme oder soziale Gruppen, die sonst untergehen, zu berichten.</p> </blockquote> <p>Und so druckte das nd am Wochenende ein <a href="https://www.nd-aktuell.de/artikel/1158542.selbstverwaltetes-wirtschaften-ein-haus-mit-geschaeftsfuehrern.html">Interview mit Sabine Manka</a>, Chefärztin am Krankenhaus Spremberg. Das Besondere am Krankenhaus Spremberg ist, dass es über einen Verein zu mehr als 50% den Mitarbeiter*innen gehört. Das hat ein paar interessante Folgen: Es gibt zum Beispiel einen signifikant besseren Personalschlüssel und davon wiederum profitieren Patient*innen, die dann halt auch zufriedener sind. Schöne Sache.</p> <p>In diesem Zusammenhang interssant: Auch in der IT gibt es solche Betriebe. Mit der <a href="https://ctrl.alt.coop/">ctrl.alt.coop</a> und der <a href="https://wtf-eg.de/">Werkkooperative der Technikfreund*innen</a> sind mir zwei Genossenschaften bekannt, die im Besitz der Mitarbeiter*innen sind. Bei der WTF bin ich (stilles) Mitglied, weil ich die Idee schön und unterstützenswert fand, aber nicht wirklich einen Anwendungsfall habe. Noch nicht. Vielleicht kommt ja eines Tages der Mut, mich da mal aktiver einzubringen. Oh, und auch bei der <a href="https://nd-genossenschaft.de/">nd-Genossenschaft</a> habe ich einen Anteil gezeichnet. Vielleicht bin ich also auch bald Zeitungsmiteigentümer?</p> Kapitalismus? Nein, danke. tag:bullenscheisse.de,2021-09-20:/2021/kapitalismus-nein-danke 2021-09-20T10:06:00Z Nathan Mattes https://bullenscheisse.de/ wegwerf@bullenscheisse.de <p>In der aktuellen brandeins feiern die Zeitschrift und der Wirtschaftshistoriker <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Werner_Plumpe">Werner Plumpe</a> den Kapitalismus ziemlich ab. Plumpe sagt <a href="https://www.brandeins.de/magazine/brand-eins-wirtschaftsmagazin/2021/kapitalismus/es-geht-nicht-um-moral-sondern-um-beduerfnisbefriedigung">im Interview</a> unter anderem:</p> <blockquote> <p>Marktintegration macht es möglich, dass ich meine Arbeitskraft verkaufe und damit Zugang zu den Ressourcen bekomme, die ich für mein Leben brauche. Das bedeutet eine unglaubliche Befreiung. — Quelle: brandeins, Schwerpunkt Kapitalismus, S. 48.</p> </blockquote> <p>Meine Zeit, meine Arbeitskraft verkaufen <em>zu müssen</em>, damit ich mir ein Dach über dem Kopf und Essen leisten kann, empfinde ich jetzt nicht unbedingt als unglaubliche Befreiung, sondern eher als Zwang. Deshalb will ich auch keinen grünen Kapitalismus. Ich will gar keinen Kapitalismus. Weil „der Markt“ vieles einfach nicht zum Wohle aller regeln <em>will</em>, kann er weg. Wird Zeit, dass <a href="https://bullenscheisse.de/2020/diese-junge-leute/">die jungen Leute regeln</a>. Den alten fehlt ja offenbar die Fantasie, wie eine Bedürfnisbefriedigung abseits von Kapitalismus organisiert werden könnte.</p> Youtube auf dem iPad, aber in weniger nervig tag:bullenscheisse.de,2021-07-12:/2021/youtube-auf-dem-ipad-aber-in-weniger-nervig 2021-07-12T14:10:00Z Nathan Mattes https://bullenscheisse.de/ wegwerf@bullenscheisse.de <p>Ach Youtube. Ich mag dich ja eigentlich. Du hast mir Neues beigebracht und mich oft genug unterhalten — manchmal auch beides. Aber in den letzten Jahren kam einfach immer mehr Werbung rein. Werbung zwischendrin, Werbung am Anfang, Werbung, die ich nicht überspringen kann, Werbung, Werbung, Werbung. Geh mir nich auf'n Keks.</p> <p>Dazu kam, dass man dich auf dem iPad eigentlich nur mit der App benutzen kann. In In-App-Browser-Fenstern kannst du kein Fullscreen, aber naja, in der App gibt's halt einfach so unendlich viel Werbung. Auf dem Laptop ist das dank Werbeblocker nie so wirklich aufgefallen, aber ich will ja auch unterwegs Videos gucken. Ohne unendlich viel Werbung. Was also tun?</p> <p>Ich bin ehrlich: Ich bin mittlerweile so genervt von dir, ich will noch nicht mal mehr zahlen, um keine Werbung gucken zu müssen. Die App ist aus Gründen auch keine Option, aber wenn ich Videos in meinem Feedreader schaue, dann kamen die häufig nicht von <code>youtube.com</code>, sondern von <code>www.youtube-nocookie.com</code>. Und das ging dann meistens ganz in Ordnung. Man müsste es also irgendwie schaffen, die Video-ID aus der Youtube-URL zu frickeln und in die neue einzusetzen.</p> <p>Seit ein paar iOS-Versionen gibt es die App „<a href="https://en.wikipedia.org/wiki/Shortcuts_(app)">Shortcuts</a>“ (auf Deutsch: Kurzbefehle, früher hiess die mal Workflow), mit der man iOS bis zu einem gewissen Grad automatisieren und programmieren kann. Warum also nicht damit versuchen, die Video-ID aus der Youtube-URL zu frickeln und eben mit <code>www.youtube-nocookie.com</code> verheiraten? Gesagt, <a href="https://www.icloud.com/shortcuts/85396b66584e4dadaf857f45cbe1ed72">getan, Skript geschrieben</a>. Was es tut, ist ziemlich trivial: Es frickelt die Video-ID aus der URL, klebt ein <code>www.youtube-nocookie.com</code> vornedran und ruft die Seite dann auf:</p> <p><img alt="" src="https://bullenscheisse.de/2021/youtube-auf-dem-ipad-aber-in-weniger-nervig/yt_suck_less_shortcut.jpeg"/></p> <p>Damit du auch davon profitieren kannst, musst du zwei, zweieinhalb Dinge tun:</p> <ol> <li>Du musst <a href="https://apps.apple.com/app/shortcuts/id915249334">Shortcuts</a> installieren</li> <li>Du musst <a href="https://support.apple.com/de-de/guide/shortcuts/apdfeb05586f/ios">geteilte Kurzbefehle aktivieren</a>.</li> <li>Du musst meinen <a href="https://www.icloud.com/shortcuts/85396b66584e4dadaf857f45cbe1ed72">YT suck less</a>-Kurzbefehl mit deinem iPhone oder iPad herunterladen.</li> </ol> <p>Wenn du jetzt einen Youtube-Link anwählst, kannst du „YT suck less“ als weitere Option im Sharesheet aufrufen. Das Sharesheet ist dieses Ding und unter Firefox findet ihr es hier:</p> <p><img alt="" src="https://bullenscheisse.de/2021/youtube-auf-dem-ipad-aber-in-weniger-nervig/yt_suck.PNG"/></p> <p>Das Skript tut <del>Magie</del> seinen Job und dann solltet du sowas hier sehen:</p> <p><img alt="" src="https://bullenscheisse.de/2021/youtube-auf-dem-ipad-aber-in-weniger-nervig/yt_suck_less.PNG"/></p> <p>Das klappt nicht bei <a href="https://www.youtube.com/watch?v=dQw4w9WgXcQ">allen Videos</a>, aber bei vielen. Also viel Spaß damit und wie immer: Ich freue mich über Feedback. Außerdem: Keine Garantie, kein Support, vertraut nich irgendwelchen Tüpen aus'm Internet, die euch sagen, welchen Code ihr ausführen sollt. Also außer mir natürlich.</p> Re: Der Mietspiegel hilft auch nicht weiter tag:bullenscheisse.de,2021-06-26:/2021/re-der-mietspiegel-hilft-auch-nicht-weiter 2021-06-26T13:12:00Z Nathan Mattes https://bullenscheisse.de/ wegwerf@bullenscheisse.de <p>Am gestrigen Freitag trafen sich die coolen Kids von <a href="https://www.dwenteignen.de/">Deutsche Wohnen &amp; Co. enteignen</a> vor der Senatsverwaltung, um die restlichen rund 50.000 Unterschriften für den Volksentscheid zu übergeben. Gleichzeitig wurden die benötigten <a href="https://www.berlin.de/wahlen/pressemitteilungen/2021/pressemitteilung.1100172.php">175.000 gültigen Unterschriften</a> erreicht, die für den Volksentscheid nötig sind. Wäre ich eine Partei, würde ich in den insgesamt ~350.000 Unterschriften ein schönes Wähler*innenpotential sehen, aber die SPD arbeitet mit <del>Dr.</del> Franziska Giffey auf der Seite der Immobilienlobby lieber an einer Stadt der Reichen — und am Ziel 5%-Hürde. </p> <p><img alt="" src="https://bullenscheisse.de/2021/re-der-mietspiegel-hilft-auch-nicht-weiter/IMG_1873.jpeg"/></p> <p>Heute morgen <a href="https://www.zeit.de/wirtschaft/2021-06/mieten-wohnraum-berlin-mietendeckel-volksentscheid-wohnung">weinte ein alter, weißer Mann</a> rum, dass Enteignen keine neuen Wohnungen schafft — No shit, Sherlock. Hat das jemals irgendwer behauptet? Es geht darum, bestehenden Wohnraum bezahlbar zu machen und etwaige Profite nicht in den Taschen irgendwelche Milliardäre verschwinden zu lassen. Damit mehr für mehr bezahlbaren Neubau bleibt. Wenn Steuergeld ein Problem sein sollte, könnte man ja mit Vermögens- und höheren Unternehmenssteuern arbeiten oder Steuerflucht und -hinterziehung bekämpfen, aber andere Thema.</p> <p>Laut Posener heisst die Lösung für das Wohnungsproblem hingegen: Nix ändern, mehr Neubau, auch auf dem Tempelhofer Feld, und notfalls sollen die Leute halt an den Rand der Stadt ziehen. Der Markt regelt schon irgendwie, keine Panik. Das riecht ziemlich nach SPD. Posener nennt es „mehr Experimente“, man könnte aber auch sagen: „Keine Experimente, weiter so wie bisher mit dem Kapitalismus“, weil weiter so wie bisher bisher so gut funktioniert hat.</p> <p>Man sieht am Wohnungsmarkt ziemlich gut, dass der Markt hervorragend als Umverteilungswerkzeug von unten nach oben funktioniert, er aber in gewissen Bereichen nichts zu suchen hat. Grund- und <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Recht_auf_Wohnen">Menschenrechte</a> dürfen keine Frage des Geldbeutels sein, sie dürfen nicht dem Markt überlassen werden.</p> <p>Ich finde es deshalb wirklich gut, dass mit Mietendeckel und Vergesellschaftung mutige, neue Wege versucht werden — man könnte fast sagen: Experimente? Ja, der Berliner Mietendeckel ist gescheitert, aber dass er scheiterte, war nicht so klar, wie viele hinterher behaupteten. Im Gegenteil: Das <a href="https://verfassungsblog.de/zur-nichtigkeit-des-berliner-mietendeckels/">Fehlurteil</a> hätte auch anders ausgehen können, war schlussendlich aber <a href="https://perspektive-online.net/2021/04/urteil-zum-mietendeckel-das-nennt-man-klassenjustiz/">Klassenjustiz</a>. Jetzt halt bundesweiter Mietendeckel und Vergesellschaftung — übrigens haushaltsneutral.</p> <p>Mich macht der Text — der mittlerweile ironischerweise hinter einer Paywall verschwunden ist — von Alan Posener traurig. Es macht mich traurig, dass er sich keine andere Zukunft, keine bessere Alterative, keine andere Gesellschaft ausmalen kann. Dass er Kapitalismus und „weiter so“ als gesetzt sieht. Ich habe Bock auf eine bessere, gerechtere Zukunft für <em>alle</em>, nicht für wenige, ohne Ausbeutung, ohne Unterdrückung, ohne Menschenverachtung — und deshalb: Ohne Kapitalismus.</p> <p>Wenn wir dabei ein paar Menschen an die Verpflichtungen erinnern müssen, die durch Eigentum erwachsen, sollten sie froh sein, dass wir Vergesellschaftung nutzen — und nicht mit Fackel und Mistgabel zu Kaffee und Kuchen erscheinen. Marktwirtschaft und Kapitalismus stehen übrigens nicht im Grundgesetz. Menschenwürde, „Eigentum verpflichtet“ und „Vergesellschaftung“ schon.</p> <p>Wir sind als Menschen, als Demokratie, als Gesellschaft nicht machtlos. Es ist höchste Zeit, sich dieser Macht, dieser Verantwortung bewusst zu werden, sich ihr zu stellen, sie zu nutzen und gemeinsam an einer besseren Zukunft für alle zu bauen. Dazu gehört auch: Leerstand, Spekulation, überteuerte Mieten bekämpfen — und dem Markt die Grenze aufzeigen.</p> <p>Wir sind viele. Packen wir's an.</p> Too little, too late tag:bullenscheisse.de,2021-05-29:/2021/too-little-too-late 2021-05-29T09:34:00Z Nathan Mattes https://bullenscheisse.de/ wegwerf@bullenscheisse.de <p>Christine Lambrecht, ihres Zeichens Justizministerin und in der SPD, <a href="https://www.zdf.de/nachrichten/politik/corona-lambrecht-generationenkonflikt-impfen-100.html">sagte</a>, nachdem ihre Regierung mit Impfprivilegien und Co. angefangen hat, Generationen gegeneinander auszuspielen: „Es ist mir ganz wichtig, dass in der Frage der Impfungen die Generationen nicht gegeneinander ausgespielt werden.“ 🤡🤡🤡</p> <p>Too little, too late. Sie fordert, dass Kinder und Jugendliche Älteren bei Impfungen den Vortritt lassen. Nun, so wie ich das sehe, hindert niemand Boomer daran, sich <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/AZD1222">Vaxzevria</a> zu holen. Sie wollen es nur nicht und verzögern damit die Impfung aller. Von daher: Gönnt euch, Kids! Ihr habt jedes Recht auf <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Tozinameran">Comirnaty</a>!</p> Stahlwerk machst du nicht im Homeoffice tag:bullenscheisse.de,2021-05-22:/2021/stahlwerk-machst-du-nicht-im-homeoffice 2021-05-22T12:49:00Z Nathan Mattes https://bullenscheisse.de/ wegwerf@bullenscheisse.de <p>Ich mag die Interviews in den Wochenendausgaben vom nd. Dieses Mal hat Kai Bonnecke, ein Stahlwerker, ein bisschen was <a href="https://www.neues-deutschland.de/artikel/1152293.stahlarbeiter-stahlwerk-machst-du-nicht-im-homeoffice.html">erzählt</a>.</p> Die unsichtbare Hand des Plans tag:bullenscheisse.de,2021-05-22:/2021/die-unsichtbare-hand-des-plans 2021-05-22T11:45:00Z Nathan Mattes https://bullenscheisse.de/ wegwerf@bullenscheisse.de <p>Neulich lief ich an einem schönen Buchladen vorbei, aber es fiel mir partout kein Buch ein, das ich mir da kaufen hätte können. Seitdem suche ich ein bisschen nach neuem Lesestoff. Einfach nur, damit ich einen weiteren Grund habe, in diesen Laden zu gehen. Dass hier noch ein nicht unerheblicher <del>Stapel</del> Berg ungelesener Bücher wartet, lasse ich lieber mal unerwähnt. Und dass ich eine Leseliste mit reichlich Nachschube habe, auch.</p> <p>Beim Zeitungslesen heute morgen war es dan soweit: Es tauchte ein weiteres, potentielles Buch auf. Stefan Kaufmann — in diesem Zusammenhang ist der Nachname fast ein bisschen witzig — <a href="https://www.neues-deutschland.de/artikel/1152319.planwirtschaft-wir-haben-einen-plan.html">stellte im nd</a> den Sammelband „Die unsichtbare Hand des Plans“ vor, erschienen bei <a href="https://dietzberlin.de/produkt/die-unsichtbare-hand-des-plans/">Dietz Berlin</a>. Spätestens folgender Absatz liess den Würfel fallen:</p> <blockquote> <p>»Amazon bietet Produktions- und Vertriebstechniken an, die nur darauf warten, beschlagnahmt und umgewidmet zu werden«, zitiert Armin Beverungen die Journalisten Leigh Philips und Michal Rozworski. Er nennt allerdings auch die Gründe, die das nicht so einfach machen: Erstens schaffe Amazon Sicherheit für sich, indem es die Kundenwünsche beeinflusse und steuere. Zweitens existierten diese Wünsche heutzutage nur als individuelle. Nötig seien stattdessen kollektive Entscheidungsprozesse darüber, was von wem produziert werden soll, unter welchen Bedingungen und mit welchen Folgen. Diese demokratischen Prozesse müssten erst installiert werden. — <a href="https://www.neues-deutschland.de/artikel/1152319.planwirtschaft-wir-haben-einen-plan.html">Quelle: nd</a></p> </blockquote> <p>Ich habe dann ma einen neuen Eintrag zu besagter Leseliste hinzugefügt. Wir sollten Amazon vergesellschaften und umwidmen.</p> Das Hartz IV der Mobilität tag:bullenscheisse.de,2021-05-21:/2021/das-hartz-iv-der-mobilitaet 2021-05-21T20:53:00Z Nathan Mattes https://bullenscheisse.de/ wegwerf@bullenscheisse.de <p>Ich habe kein Auto, sondern bewege mich mit Fahrrad und ÖPNV durch die Gegend. Seit einem Jahr fahre ich eigentlich nur noch Fahrrad, gelegentliche Ausnahmen bestätigen die Regeln. Aber ich bin ein Fan von Bus, U-, S- und Strassenbahn, nur würde ich mir mehr und besseren ÖPNV wünschen und kann auch sonst unterschreiben, was <a href="https://www.neues-deutschland.de/artikel/1152196.mobilitaet-das-hartz-iv-der-mobilitaet.html">Timo Daum fordert</a>.</p> <p>Angeblich kommt noch ein zweiter Teil, in dem skizziert wird, wie ÖPNV 2.0 aussehen und welche Rolle dabei digitale Technik spielen könnte. Ich bin gespannt.</p> Es sollte keine Vermieter geben tag:bullenscheisse.de,2021-05-18:/2021/es-sollte-keine-vermieter-geben 2021-05-18T22:32:00Z Nathan Mattes https://bullenscheisse.de/ wegwerf@bullenscheisse.de <p>Letztens hatte ich in meiner Wut verkündet, dass ich ab sofort unsolidarischer sein will und seitdem merke ich, dass ich das nicht durchhalte, dass es mir schwer fällt, weil es mit quasi allen Werten bricht. Seitdem versuche ich mir einzureden, dass ich auch einfach selektiver solidarisch sein kann. Zum Beispiel nicht mehr mit Boomern.</p> <p>Ich habe gerade online einen Artikel der „analyse&amp;kritik“ vom Januar 2021 gelesen. Es war ein <a href="https://www.akweb.de/bewegung/es-sollte-keine-vermieter-geben/">Interview mit Rose Lenehan von der Los Angeles Tenants Union</a>, einer Mieter*innengewerkschaft, und ich musste mehrmals schmunzeln, zum Beispiel darüber, was passierte, als ein Vermieter eine Mieterhöhung von 80% durchsetzen wollte:</p> <blockquote> <p>Andere Mieter haben sich dem Mietstreik angeschlossen und den Vermieter zu Verhandlungen gezwungen. Leute haben vor seiner Villa gezeltet, um ihn unter Druck zu setzen. Es war eine großartige Möglichkeit, öffentlich zu demonstrieren, dass Mieter*innen sich wehren können</p> </blockquote> <p>Solche kleinen Geschichten freuen mich immer, weil es zeigt, dass Solidarität trotz allem Schild und Waffe zur gleichen Zeit ist. Dass Menschen nicht ohnmächtig sind. In diesem Zusammenhang sei auch noch auf die Wirkmächtigkeit der Umstände verwiesen:</p> <blockquote> <p>Es kommt alles nur darauf an, Menschen in die richtigen Umstände zu versetzen, dann werden sie auch menschlich-solidarisch handeln, alle ihre Kräfte füreinander einsetzen und sich umfassend entwickeln. — <a href="https://www.neues-deutschland.de/artikel/1151968.robert-owen-die-welt-ist-gesaettigt-mit-reichtum-und-doch-voller-elend.html">Quelle: neues deutschland</a></p> </blockquote> <p>In Berlin gibt es ebenfalls eine <a href="https://mg-berlin.org/">Initiative, eine Mieter*innengewerkschaft zu gründen</a>. Zeit, <a href="https://www.dwenteignen.de/">entsprechende Umstände zu schaffen</a>.</p> Getroffene Hunde tag:bullenscheisse.de,2021-05-18:/2021/getroffene-hunde 2021-05-18T16:21:00Z Nathan Mattes https://bullenscheisse.de/ wegwerf@bullenscheisse.de <p>Vielleicht sollten wir nicht nur den Patentschutz der Corona-Impfstoffe aufheben (da ist noch nichts passiert, oder?), sondern <a href="https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/getroffene-hunde">den aller Medikamente</a>.</p> <p>Meine Hoffnung ist gering bis nicht vorhanden.</p> 18:31 tag:bullenscheisse.de,2021-05-11:/2021/18-31 2021-05-11T18:31:00Z Nathan Mattes https://bullenscheisse.de/ wegwerf@bullenscheisse.de <p>Vor zwei Wochen oder so kündigte ein Drittel der Belegschaft von <a href="https://en.m.wikipedia.org/wiki/Basecamp_(company)">Basecamp</a> — aus guten und nachvollziehbaren Gründen. Das machte auf Twitter in gewissen Kreisen schnell die Runde, war Basecamp doch bisher ein <em>wokes</em> Unternehmen. An dieser Stelle ist ein Hinweis angebracht, dass das eigentliche Problem „Kapitalismus“ heisst.</p> <p>Eine Woche später <a href="https://www.neues-deutschland.de/artikel/1151755.us-unternehmen-basecamp-debatten-schaden-der-produktivitaet.html">schrieb vor ein paar Tagen</a> auch das nd darüber — und brachte es wahrscheinlich in nochmal andere Kreise. Und nochmal ein paar Tage später las ich dann den Artikel.</p> <p>Manchmal fühlt es sich gar nicht so schlecht an, Nachrichten und andere Sachen auch einfach mal besagte paar Tage lang liegen zu lassen. Meistens fügt es sich. Mehr langsam und mehr später und mehr liegen lassen würde mir an gewissen, den richtigen Stellen wahrscheinlich viel Stress ersparen.</p> <p>Denke ich mir immer wieder, lerne trotzdem nichts daraus und logge mich auf Twitter ein. Bis es mir zum nächsten Mal auffällt.</p> 09:18 tag:bullenscheisse.de,2021-05-07:/2021/09-18 2021-05-07T09:18:00Z Nathan Mattes https://bullenscheisse.de/ wegwerf@bullenscheisse.de <p>Gestern hat der Bundestag beschlossen, dass unter anderem die Ausgangssperre und Quarantänepflicht für Geimpfte und Genese nicht mehr gelten sollen. Und das, obwohl bisher nur ein Bruchteil der Menschen in Deutschland geimpft ist. Und das obwohl ein Großteil der Menschen dagegen ist. Das ist ein Schlag ins Gesicht all derer, die seit über einem Jahr Rücksicht nehmen. Die sich seit über einem Jahr isolieren und so Ältere und gefährdete Menschen geschützt haben.</p> <p>Und kaum sind diese Menschen geimpft, gelten für sie <a href="https://bullenscheisse.de/2021/privilegal/">Sonderrechte</a>. Kaum sind sie geimpft, müssen sie sich nicht mehr zurücknehmen? Ok Boomer.</p> <p>Dass #NoCovid, geschweige denn #ZeroCovid jemals kommt, daran glaube ich nicht mehr. Ich habe mich damit abgefunden, dass wir auf die Impfung setzen. Aber dass es jetzt Sonderrechte für Geimpfte gibt, geht zu weit. Dazu kommt: In einigen Wochen wäre wahrscheinlich ein Großteil der Bevölkerung geimpft und weil sich diese Boomer nicht noch etwas gedulden wollen, gibt man ihnen jetzt Sonderrechte? Die Gastronomie fordert schon, nur für Geimpfte öffnen zu dürfen. Ok Boomer, es reicht.</p> <p>Daran ändert jetzt auch die Forderung der USA nichts mehr, die Patente freizugeben. Daran ändert jetzt auch die Freigabe von Vaxzevria, dem Impfstoff von AstraZeneca, für alle Altersgruppen nichts mehr. In Berlin gibt's eh keine Termine dafür. Was es noch schlimmer macht: Alte lassen sich lieber den Impfstoff von BioNTech/Pfizer geben und lassen jüngere Menschen noch länger warten. Ein weiterer Schlag ins Gesicht. Ok Boomer, fuck you.</p> <p>Ich bin wütend, ich bin verletzt. Ich sehe nicht ein, warum ich mich jetzt noch in irgendeiner Form solidarisch mit dieser Gesellschaft verhalten soll. Ihr seid es nicht? Gut, dann bin ich es auch nicht mehr.</p> <p>Ich kündige gerade sämtliche Spenden und Fördermitgliedschaften auf. Außerdem kein Geld mehr für irgendwelche Moneypools auf Paypal. Trifft es die Falschen? Ja. Ist es mir egal? Aber hallo.</p> <p>Danach werde ich schauen, wie ich am schnellsten an einen der Corona-Impfstoff komme. Trifft es die Falschen? Ja. Ist es mir egal? Aber hallo.</p> <p>Außerdem werde ich ab sofort aus Überzeugung bei Amazon, Durstexpress, Lieferando und Co. bestellen — Trinkgeld gibt es natürlich auch keins mehr. Trifft es die Falschen? Ja. Ist es mir egal? Aber hallo.</p> <p>Mein nächster Job wird bei der unmoralischsten Drecksbude sein, die ich finden kann. Gerne mit jeder Menge Kapitalismus, gerne mit jeder Menge „Scheiss auf diesen Planeten“, und auch gerne mit jeder Menge Ausbeutung. Frontex, Großbank oder Automobilhersteller, Hauptsache die Kohle stimmt. Trifft es die Falschen? Ja. Ist es mir egal? Ratet mal.</p> <p>Nach euch Corona? Nach mir die Sintflut.</p> Schulden als Erbe tag:bullenscheisse.de,2021-05-03:/2021/schulden-als-erbe 2021-05-03T17:02:00Z Nathan Mattes https://bullenscheisse.de/ wegwerf@bullenscheisse.de <p>Gerade las ich einen <a href="https://www.jungewelt.de/artikel/400765.armut-per-gesetz-schulden-als-erbe.html">Artikel in der jungen welt</a>. Es ging darum, wie Hartz 4 dafür sorgt, dass erwachsene Kinder armer Menschen arm bleiben und es wunderte mich nicht, dass das entsprechende Gesetz auf die rot-grüne Regierung unter Schröder zurückgeht.</p> <p>Der Architekt des besten Niedriglohnsektors — ich würde mich dafür ja eher schämen — würde im Herbst gerne Kanzler werden. Ich bin auch nicht überzeugt, dass es unter einer schwar-grünen Regierung besser wäre.</p> Hashtag TechWorkerSolidarity tag:bullenscheisse.de,2021-05-02:/2021/hashtag-techworkersolidarity 2021-05-02T22:54:00Z Nathan Mattes https://bullenscheisse.de/ wegwerf@bullenscheisse.de <p>Am Wochenende war <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Erster_Mai">1. Mai</a>. Das ist Tag der Arbeit, wie jeder andere auch, aber eben ein besonderer. So besonders, dass er in Deutschland ein gesetzlicher Feiertag ist, an dem man nicht arbeiten muss. Außer halt man muss es. Dieses Jahr fiel der besondere Tag der Arbeit auf einen Samstag und so waren die Supermärkte freitags voll, weil man konnte ja nicht samstags einkaufen.</p> <p>Am Samstag selbst ging es dann in den <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Berlin-Grunewald">Grunewald</a>. „Klingeling! Haubesuch beim Kapital“ war das Motto, unter dem <a href="https://www.neues-deutschland.de/artikel/1151475.fahrraddemo-im-berliner-grunewald-mai-klingeln-fuer-umverteilung.html">zehntausend Menschen dem Problemkiez Grunewald</a> zeigten, dass sie die armen reichen Leute in der wohlhabensten Gegend Berlins nicht vergessen hatten. Und während sich der Tross aus Drahteseln seinen Weg bahnte, der von der Polizei mit abgesperrten Kreuzungen vorgezeichnet war, saß man im Grunewald mit der Großfamilie auf dem Balkon der schmucken Stadtvilla und grinste den Menschen entgegen. Mein Mittelfinger grinste zurück.</p> <p>Gerade schaue ich eine <a href="https://www.arte.tv/de/videos/075833-000-A/arbeit-auf-abruf/">Dokumentation</a>, auf die mich <a href="https://twitter.com/annalist/status/1388795489685053440">Anne Roth aufmerksam gemacht hat</a>. Das passt zeitlich hervorragend, denn ein Blogpost in dieser Richtung schwebt mir seit Wochen im Kopf herum. In der Dokumentation geht es um <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Gig_Economy">Gig Worker</a>, um <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Plattformkapitalismus">Plattformkapitalismus</a>, um digitale Tagelöhner. Um Menschen, die für Uber Menschen oder Essen ausliefern. Die bei <a href="https://en.wikipedia.org/wiki/Amazon_Mechanical_Turk">MTurk</a> für einen Stundenlohn von weniger als 2 Dollar Amazongeld arbeiten, das sie nur bei Amazon ausgeben können. Um Menschen ohne Krankenversicherung, ohne Betriebsrat. Eine der porträtierten Menschen sagt:</p> <blockquote> <p>Uber und Lyft beschäftigen einige der intelligentesten Leute der Welt, Professoren und Programmierer. Aber die Fahrer sind ihnen egal.</p> </blockquote> <p>Und das ist der Punkt, an dem ich den Film nach einem Drittel pausiere, mich voller Wut, aber auch Tatendrang an diesen, den fälligen Blogpost setze.</p> <p>Im Anschluss an die Fahrradtour fand am Wochenende die <a href="https://1mai.blackblogs.org/?p=1000">Revolutionäre 1. Mai Demo statt</a>, die der verlängerte, gewaltbereite Arm des Kapitals bereits nach kurzer Zeit brutal angriff. Auf dieser Demo sah ich ein Schild, auf dem stand:</p> <blockquote> <p>„Die Server stehen still, wenn wir uns organisieren #TechWorkerSolidarity“</p> </blockquote> <p><img alt="" src="https://bullenscheisse.de/2021/hashtag-techworkersolidarity/techworkersolidarity.jpeg"/></p> <p>Ich arbeite als „TechWorker“, als Programmierer für Apps. Ich abstrahiere Probleme und baue mit meinem Werkzeug — und nichts anderes sind Programmiersprache und Computer — Lösungen. Dabei versuche ich gute Arbeit zu leisten, denn auch ich habe so etwas wie eine Handwerksehre. Ich möchte stolz auf meine Arbeit sein, sie soll auch handwerklich gut gemacht sein. Dieses Selbstverständnis als „Handwerker“ lässt interessante Schlüsse zu.</p> <p>Denn im Endeffekt sind Programmierer*innen wie Handwerker*innen. Es gibt Zimmerleute, die wunderschöne Möbel bauen und solche, die die Möbelmaschinen am Fliessband überwachen. Es gibt „Software Engineers“, die Individualsoftware entwickeln, aber auch solche, die immer und immer wieder die gleiche Software installieren, die gleichen Fragen im Support beantworten. Wir lösen mit unseren Köpfen Probleme und schaffen mit unseren Händen Lösungen, wie Handwerker*innen eben auch.</p> <p>Wir sind dabei nichts anderes als lohnabhängig Beschäftigte. Wir sind angestellt, wir bekommen Geld von unseren Arbeitgeber*innen, sind aber teurer zu kündigen. Wir sind ein Teil der Arbeiter*innenklasse, wenn auch bisweilen gut ausgebildet, unglaublich privilegiert und hoch bezahlt. Aber damit einher geht eben auch eine größere Verantwortung.</p> <p>Und trotzdem sind noch erschreckend viele „TechWorker*innen“ nicht organisiert, nicht Teil einer Gewerkschaft. Das halte ich für falsch, ja sogar gefährlich, denn: Eine Gewerkschaft, ein Betriebsrat ist gelebte Solidarität unter Arbeiter*innen. Es gibt Hoffnung, es ändert sich gerade langsam. Yonatan Miller von der <a href="https://twitter.com/TechWorkersBER">Berlin Tech Worker Coalition</a> hat dem nd vor einem Monat <a href="https://www.neues-deutschland.de/artikel/1150338.tech-workers-coalition-gegen-gehaltsunterschiede-und-raubrittermentalitaet.html">ein Interview dazu gegeben</a>. Bei N26 wollte die Bank die Betriebsratswahlen noch verhindern, ist damit aber krachend auf die Fresse geflogen. Bei <a href="https://www.woz.ch/2114/die-google-gewerkschaft/nach-dem-baellebad-in-den-arbeitskampf">Google rumort es ebenfalls</a>. Und auch bei Gorillas, dem neuen Stern am Berliner Start-Up-Himmel, <a href="https://www.rosalux.de/news/id/44216">gibt es Arbeitskampf</a>, von Menschen angestossen, die mit dem Fahrrad unter fragwürdigen Arbeitsbedingungen Supermarkteinkäufe ausliefern. Und hier schliesst sich der Kreis:</p> <blockquote> <p>Aber die Fahrer sind ihnen egal.</p> </blockquote> <p>Die Fahrer*innen dürfen uns nicht egal sein, wir sind es ihnen schuldig. Wir bauen die Apps, mit denen die Supermarkteinkäufe bestellt werden. Die Apps, die Uber-Fahrer*innen durch die Städte schicken. Wir lassen die Server laufen, die die Bestellungen verarbeiten. Und dadurch sitzen wir an einem sehr, sehr langen Hebel. Weil eben auch wir Teil der Arbeiter*innenklasse sind, müssen wir diesen Hebel zu nutzen, zum Wohle der Kolleg*innen im Betrieb, der Arbeiter*innen, aller.</p> <p>Lasst uns dafür sorgen, dass nicht nur wir gut bezahlt werden, sondern eben auch die Menschen, die bei Wind und Wetter mit dem Fahrrad Lebensmittel ausliefern. Lasst uns dafür sorgen, dass nicht nur wir einen unbefristeten Arbeitsvertrag mit einer Krankenversicherung haben, sondern auch Leute, die bei Uber Menschen von A nach B bringen. Lasst uns dafür sorgen, dass sich die Arbeitsbedingungen für Menschen in der Pflege dramatisch zum Besseren ändern. Betriebsräte und Gewerkschaften sind aktueller den je. Tretet der <a href="https://www.fau.org/">FAU</a> bei, der <a href="https://www.igmetall.de/mitglieder/mitglied-werden">IG Metall</a>, <a href="https://mitgliedwerden.verdi.de/beitritt/verdi">ver.di</a> oder den <a href="https://www.wobblies.org/">Wobblies</a>. Lasst uns uns vernetzen, uns organisieren. Lassen wir nicht Menschen im Regen, sondern Server still stehen.</p> <p>Denn eines Tages könnten wir im Regen stehen und werden froh sein, nicht alleine zu sein.</p>