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Sichere Herkunftsländer

Seehofer und sein bayrisches Kabinett beschlossen vor ein paar Tagen, dass man Menschen, die aus dem Westbalkan kommen und bei uns Asyl beantragen, doch bitte in grenznahe Einrichtungen unterbringen solle, damit man sie möglichst schnell wieder abschieben kann. Er will diesen allgegenwärtigen "Asylmissbrauch" (Ich fühle mich schlecht, dass dieses Wort den Weg in meinen Blog gefunden hat.) durch Menschen vom Westbalkan bekämpfen. Weil diese Menschen vom Westbalkan hindern Bayern daran, den wirklich bedürftigen Menschen zu helfen!!1!

Wir müssen auch klar benennen, um was es geht, wenn Menschen ohne Schutzanspruch nach Deutschland kommen, wie zum Beispiel vom Westbalkan: Asylmissbrauch, der die Akzeptanz und großartige Hilfsbereitschaft in unserer Bevölkerung für Flüchtlinge schmälert und unsere Kapazitäten für Menschen mit Schutzanspruch verringert.

Die erste dieser Einrichtungen soll übrigens sehr grenznah entstehen. Bei Ingolstadt.

Ich finde Seehofers Ansatz, Menschen in zwei Gruppen einzuteilen und der einen Gruppe die Schuld zuzuweisen, dass man der anderen Gruppe nicht helfen kann, menschenverachtend und gefährlich. Das hat was von Juden, die die Brunnen vergiften. Wenn Seehofers Beamtenapparat mit der Menge der Menschen, die ein Menschenrecht in Anspruch nehmen, überfordert ist, dann liegt das sicherlich nicht an der Menge der Menschen, die ein Menschenrecht in Anspruch nehmen, zumal Seehofer statt der 2800 benötigten Stellen nur noch knapp 900 bewilligt.

Karamba Diaby hat zum Thema Asylmissbrauch einen sehr schönen Text in der Zeit verfasst (tl;dr: Es gibt keinen Asylmissbrauch.). Mehr gibt es dazu eigentlich nicht zu sagen.

Ein paar Landräte aus dem Norden Baden-Württembergs bestehen nun auf etwas Ähnlichem wie Seehofer. Doch statt extra Einrichtungen für Menschen vom Westbalkan zu errichten, sollen sie einfach in den bereits bestehenden Erstaufnahmeeinrichtungen bleiben, bis ihr Asylantrag bearbeitet ist:

Personen aus den Westbalkanstaaten, die in Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes Asyl beantragen, werden, wie vom Land beim 2. Flüchtlingsgipfel angekündigt, ab sofort nicht mehr zur Weiterverteilung den Stadt- und Landkreisen zugewiesen. Sie verbleiben in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes bis das verkürzte Asylverfahren nach §36 AsylVfG (Verfahren bei Unbeachtlichkeit und offensichtlicher Unbegründetheit) rechtskräftig abgeschlossen ist.

Dass es nicht einfach ist, viele Menschen, die vor was auch immer - es sollte keine Rolle spielen, warum ein Mensch flieht. Wir sollten ihn einfach aufnehmen und ihm helfen - fliehen, unterzubringen, das bestreitet wohl kaum einer. Unser eigenes Versagen in diesem Fall aber anderen in die Schuhe zu schieben, das ist erbärmlich.

Es macht mir Angst, dass es immer mehr in Mode kommt, am rechten Rand auf Wählerfang zu gehen. Nazis fordern, dass wir nur den wirklich bedürftigen Kriegsflüchtlingen helfen? Fein! Dann fordern wir das auch. Denn dann wählen die Menschen, die sonst Nazis wählen würden, uns! Im Umkehrschluss gibt es dann weniger Nazis, weil weniger Menschen Nazis wählen!!1!.

Es macht mir Angst, dass wir uns ganz einfach aus der Verantwortung ziehen, indem wir Länder zu vermeintlich sicheren Herkunftsländern erklären, um diese Menschen nicht aufnehmen zu müssen. Wir sollten das auch unbedingt zeitnah mit Syrien machen. Oder das Asylrecht gleich ganz abschaffen. Denn in unserem Land soll ja auch schon das reinste Chaos herrschen. Und überhaupt! Deutschland den Deutschen!

Wir sollten am besten noch gestern damit aufhören, uns dahinter zu verstecken, dass wir zur richtigen Zeit die rich tigen Eltern hatten. Dass wir auf einem friedlichen Flecken Erde zur Welt kamen. Dass wir eine Plastikkarte haben. Wir sollten noch gestern damit aufhören, menschenverachtende Politik zu betreiben und zu dulden. Wir sollten sichere Herkunftsländer abschaffen. Und Grenzen. Wir sollten wieder lernen, uns mit Menschen zu solidarisieren, auf sie achten. Sie aufnehmen und ihnen helfen, wenn sie fliehen. Warum oder von wo ein Mensch kommt oder flieht, das sollte egal sein. Wir sollten Menschen einfach einreisen lassen. Denn das ist wohl immer noch ein sehr guter Weg, sie vor dem gefährlichen Weg über das Mittelmeer zu schützen. Wir können (und sollten) Nazis nicht gewinnen lassen. Ich glaube, dass die meisten Menschen friedlich miteinander leben wollen. Wir sollten diese Menschen vielleicht einfach mal machen lassen.

wir sind eine welt. wir sollten es wenigstens versuchen, zu leben.

— oma_kazi (@oma_kazi), 15. August 2015

Juna schrieb im Jahresrückblick Netzpolitik 2014/2015 über sich, dass ihre Artikel, alle mit der Pointe enden, dass wir die Welt noch retten können. Wenn wir nur wollen. Vor ein paar Tagen hat sie ein paar tolle Links zusammengesammelt.

Ich glaube, dass viele Menschen die Welt retten wollen. Ich finde es beeindruckend, was manche Menschen für Flüchtlinge tun, zum Beispiel in Bayern:

Die Bürger sind empört – weil die Neuankömmlinge nur in Containern untergebracht werden sollen und keine Wohnungen bekommen.

##Nachtrag vom 16.08.2015, 13:20

Gerade flatterte mir über das Zentrum für politische Schönheit ein Stern-Artikel durch die Timeline. Zitat:

Niemand verlässt sein Land, bloß weil zum Beispiel Deutschland seine Grenzen öffnet. Und niemand bleibt, weil die Grenzen zu sind. Offene oder geschlossene Grenzen haben überhaupt keinen Einfluss darauf, ob Leute sich auf den Weg machen oder nicht. Der Unterschied ist allerdings, ob sie lebend ankommen oder tot.