Ich wollte schon lange mal an einem Hackathon teilnehmen. Vor ungefähr einem halben Jahr — Mitte Dezember 2017 — fand dann der achte #dbhackathon in Berlin statt, veranstaltet von der Deutschen Bahn. Aber was ist das überhaupt, so ein Hackathon? Wikipedia sagt dazu:
Ein Hackathon (Wortschöpfung aus „Hack“ und „Marathon“) ist eine kollaborative Software- und Hardwareentwicklungsveranstaltung. Alternative Bezeichnungen sind „Hack Day“, „Hackfest“ und „codefest“. Ziel eines Hackathons ist es, innerhalb der Dauer dieser Veranstaltung gemeinsam nützliche, kreative oder unterhaltsame Softwareprodukte herzustellen.
— Quelle: Internet
Ein Hackathon scheint vom Konzept her ein bisschen zu sein wie ein Barcamp: Jemand stellt den Platz, das Internet, Daten, Catering, kalte Getränke — gewissermaßen den Rahmen bereit und lädt ganz viele Leute ein. Diese Menschen füllen den Rahmen dann mit Inhalten: Sie entwickeln in der gegebenen Zeit in Teams oder alleine Dinge und Prototypen, probieren Ideen und lernen dabei.
Häufig gibt es ein Überthema — bei meinem ersten Hackathon war das Motto „Open Data“. Die Bahn und einige Partnerunternehmen stellten Schnittstellen und Datensätze zur Verfügung, die man nutzen konnte, aber nicht musste.
Der Rahmen
Der Hackathon startete an einem Freitag um 17:00 Uhr in der DB Mindbox direkt unter dem S-Bahnhof Jannowitzbrücke. Jede*r Teilnehmer*in bekam ein Tshirt und nach einigen kurzen Einführungsvorträgen, in denen das Programm vorgestellt und ein Überblick über die mitgebrachten Daten gegeben wurde, startete ab 20:00 die sogenannte Hacknight: Ab dann hatten die Teams bis Samstag Nachmittag Zeit, an ihren Projekten zu arbeiten. Am Samstag um 16:30 Uhr konnten dann die Ergebnisse präsentiert werden.
Es gab dabei keinen Zwang, die angebotenen APIs und Datensätze zu nutzen, geschweige denn, am Samstag etwas vorstellen zu müssen. Diesen Nicht-Druck fand ich sehr angenehm. Ich kam ohne Projektidee oder Team zur Mindbox und stöberte dann einfach ein bisschen in dem, was die Bahn zur Verfügung stellte. Als Ziel hatte ich mir lediglich vorgenommen, das Projekt, an dem ich dann schlussendlich arbeiten würde, einigermaßen abzuschließen und am Ende vorzustellen.
Der eigentliche Hackathon
Es zeichnete sich relativ schnell ab, dass es eine App werden würde. Damit verdiene ich meine Brötchen und ich muss mich nicht erst in etwas einarbeiten, bevor ich überhaupt startklar bin. Klar ist einer der Grundgedanken, etwas zu lernen, aber es erschien mir mit meinem Ziel vor Augen einfach pragmatischer.
Nachdem ich dann so in den mitgebrachten Daten der Deutschen Bahn stöberte, kam mir ein Gedanke:
Gibt es eine einfache, elegante Möglichkeit, mir schnell den Gleisabschnitt für einen bestimmten Wagen ausgeben zu lassen, in dem ich beispielsweise meine Reservierung habe? Quasi einen Wagenreihungsplan in besser?
Wenn ich vermeiden wollte, die Waggons im Zug zu durchqueren, ging ich dafür bisher immer zum ausgedruckten Wagenreihungsplan am jeweiligen Gleis. Dort steht dann üblicherweise eine Traube von Menschen, die ebenfalls herausfinden möchten, wo ein bestimmter Wagen hält, weil sie ebenfalls keine Lust haben, sich durch volle Waggons quetschen zu müssen. Warum geht das nicht eleganter? Einfacher? Warum geht das nicht mit dem Smartphone?
Ich fand raus, dass der Wagenreihungsplan auch im DB Navigator integriert ist:
Aber das fühlte sich nicht gut an, nicht zuende gedacht, zu kompliziert. So als hätte jemand den analogen, ausgedruckten Wagenreihungsplan genommen und einfach in die App gegossen. Warum interessiert mich, wie der ganze Zug auf dem Gleis hält, wenn ich nur wissen will, dass Wagen 23 in Abschnitt E ist? Das geht doch bestimmt besser.
Durch einen glücklichen Zufall hatte die Bahn auch die Daten der Wagenreihungspläne mitgebracht — ich hatte also ein Projekt. Anschliessend formulierte ich ein Ziel und schrieb eine kurze Nachricht im Hackathon-internen Slack-Channel.
Dann fing ich an, mich in die Wagenreihungsplandaten zu graben, entwarf eine sehr einfache App und übersah, dass vier Menschen mich im Slackchannel angeschrieben hatten: Sie wären interessiert. Kurze Zeit später setzten wir uns zusammen, ich stellte ihnen die Idee und das, was ich bisher herausgefunden und entworfen hatte. Wir verteilten die Aufgaben und dann ging es um kurz nach 21:00 Uhr wirklich los mit der Hacknight.
Die vier hatten im Gegensatz zu mir keine Erfahrung in der iOS-Entwicklung, aber sie waren alle motiviert und Informatikstudenten. Zwei bastelten die UI, zwei kümmerten sich um das Datenmodell und einer behielt das große Ganze im Blick. Und so arbeiteten wir und tauschten uns regelmässig aus. Es wurde später und später und immer mehr Menschen gingen nach Hause oder legten sich einfach irgendwo in die Mindbox, um zu schlafen. Ich blieb dran und arbeitete hochmotiviert weiter.
Morgens um sechs fielen mir immer wieder die Augen zu. Ich wurde immer müder, aber war immernoch unglaublich motiviert, nur noch nicht zufrieden. Ich wollte mich von dieser Müdigkeit nicht aufhalten lassen, ich arbeitete weiter, merkte aber, wie mir das Denken immer schwerer fiel.
Irgendwann gegen acht Uhr morgens hatte ich dann einen Stand, mit dem ich mit einigermaßen guten Gewissen schlafen konnte. Ich fuhr nach Hause, legte mich ins Bett und schlief ungefähr fünf Stunden.
Als ich aufwachte, war ich sehr unausgeschlafen und mürrisch. Ich war unsicher, ob das, was ich bis in die Morgenstunden zusammengebaut habe, gut genug war, um es vorzustellen. Ich tat, was ich in so einer Situation meistens tue: Ich suche Feedback und twittere. Das Feedback war positiv und sorgte dafür, dass Lebensgeister und Motivation zurückkehrten.
Ich sprang unter die Dusche, anschliessend aufs Fahrrad und war um kurz vor zwei wieder in der Mindbox. Einige aus meinem Team waren ebenfalls wieder da und so besprachen wir uns bei Kuchen und Pizza zum Frühstück. Wir fixten noch ein paar Kleinigkeiten, änderten hier noch ein paar Farben und dort noch ein paar Schriftarten. Und dann hatten wir etwas vorzuweisen. Ich entwarf ein paar Folien und meldeten unser Projekt zur Vorstellung an.
Nach einem Probedurchlauf der Präsentation, noch mehr Pizza und Kuchen wurden dann die Projekte vorgestellt. Jedes Team hatte zwei Minute Zeit, die Ergebnisse zu präsentieren.
Ein Team konnte mithilfe der Mobilfunkdaten berechnen, wie lange das WLAN im Zug noch funktioniert oder wie lange man noch warten muss, bis man nach dem Tunnel wieder Internet hat. Sie hatten es ausserdem in den frühen Morgenstunden in freier Wildbahn getestet. Ein anderes Team hatte ein alternatives Routing implementiert, mit dessen Hilfe man beispielsweise im Winter Zugverbindungen finden kann, auf denen man möglichst wenig umstiegen muss.
Angespannt stellte ich dann den Wagenreihungsplan vor, inklusive Live-Demo. Die Müdigkeit und der wenige Schlaf forderten ihren Tribut und ich war sehr hart in meiner Wortwahl. Das bekam ich dann auch direkt auf Twitter gespiegelt — vollkommen zu recht. Später entschuldigte ich mich dafür.
Anschliessend kürte die Jury nach einer Beratung dann die Projekte, die gewonnen hatten – der Wagenreihungsplan war einer von ihnen!
Jedes Teammitglied eines Winning Project bekam einen Reisegutschein für die Bahn per Post zugesandt. Irgendwann gingen wir alle nach Hause und ich flog nach einer weiteren sehr kurzen Nacht in den Weihnachtsurlaub.
Als ich den Reisegutschein vor einigen Tagen einlösen wollte, stellte ich fest, dass man das nur im Reisezentrum machen kann. Ich musste schmunzeln, buchte meine Reise dann halt im Reisezentrum und nahm mir vor, endlich mal über den Hackathon zu bloggen.
Vor einigen Wochen machte die Bahn dann im DB-Navigator nochmal prominent auf den integrierten Wagenreihungsplan aufmerksam. Da musste ich dann tatsächlich schmunzeln.
Fazit
Insgesamt war der Hackathon eine unglaublich interessante Erfahrung. Es hat mich selbst überrascht zu sehen, wie unglaublich konzentriert ich an etwas arbeiten kann, wenn ich entsprechend motiviert bin, bereit, auch über meine Grenzen zu gehen.
Unter Zeitdruck eine Lösung — und in diesem Fall auch das dazugehörige Problem — zu finden, war spannend, ebenso wie der Umgang mit Hindernissen, die einfach so auftauchen. Im Idealfall versucht man natürlich vorher, solche Probleme zu vermeiden. Kommen sie trotzdem, macht man sich Gedanken, um eine möglichst gute Lösung zu finden. Beim Hackathon war mir das nicht immer möglich, es musste möglichst schnell eine Lösung her, die das Problem aus dem Weg räumt:
Normalerweise würdest du einen XML-Parser mit Bordmitteln selbst schreiben? Vergiss es, du hast keine Zeit, nimm ein Framework dafür. Du willst die Daten lieber aus einer Datenbank als aus 20 Megabyte Textdateien lesen? Ja, ist ja schön, aber dafür hast du jetzt keine Zeit.
Insgesamt war ich dann aber doch ganz zufrieden, zumal ich mein selbstgestecktes Ziel ja erreicht hatte. Das Ergebnis finde ich auf eine gewisse Art und Weise angemessen, auch wenn die Codequalität gefühlt ziemlich schlecht ist (Github). Und auch wenn der Hackathon spannend war, so war er auch unglaublich anstrengend, und ich kann und möchte nicht jeden Tag so massiv über meine Grenzen gehen. Ausserdem werde ich das nächste Mal vielleicht nicht direkt am nächsten Tag früh morgens verreisen.
Trotz allem war es mit Sicherheit nicht mein letzter Hackathon. Dafür ist der Rausch, in dem ich gerarbeitet habe, eine zu starke Droge.
Weitere Links
- Die Bahn hat ein kurzes Video vom Hackathon gedreht
- Auf der Website findet man ausserdem einige Bilder, sowie eine Übersicht aller Projekte
- @dbhackathon auf Twitter