bullshit

Foto-FOMO-Globuli

Im November 2018 führte eine Schülerzeitung ein Interview mit einem alten weißen Mann. Und im Moment ein Buch eben jenes alten weißen Mannes, der unter akuter Katastrophen-FOMO leidet. Sie treibt ihn an. Es ist so ein Buch, das wohl nur von alten weißen Männern geschrieben — und gelesen — werden kann. Sehr ruhig, ziemlich distanziert beschreiben, während man einfach einen Job erledigt und ein schlechtes Gewissen hat, dass man die Welt nicht retten kann. Also auch ein bisschen emotional.

Dann kam ich irgendwie in die Bildergalerie meines Smartphones — mich starren 8147 Fotos an. Das war heute morgen, mittlerweile dürften es eher 16294 sein, täglich werden es mehr. Das Älteste der Bilder ist vom 19. Juni 2015. Was davor war? Keine Ahnung.

Ich scrolle ein bisschen durch die Bilder und dabei fällt mir auf, dass es meistens nur Schnapschüsse sind, die ich einfach nie wieder gelöscht habe. Hier mal kurz irgendetwas Skurilles, Witziges, Ungewöhnliches, Schönes festhalten, das ich sonst verpasst hätte, jetzt stattdessen aber zum ersten Mal seitdem wiedersehe. Da ein kurzer Screenshot, den ich auf Twitter oder Mastodon teile — eigentlich wollte ich doch diesen Blog dafür nutzen.

Ein bisschen sind die Fotos wie die individuelle, visuelle Reinkarnation meiner Lieblingslieder bei Spotify. Oder meine offenen Tabs in diversen Browsern. Schnell für gut genug befunden, auf Wiedervorlage gelegt, anschließend vergessen und irgendwann mit einem schlechten Gewissen, dass die FOMO wieder gewonnen hat, geschlossen, gelöscht, wieder angehört. Dass ich so einen Aufwand betreibe, um der Angst etwas entegegenzusetzen.

Auf der anderen Seite sind die Bilder Schnapschüsse meines Lebens. Ich sehe hier ein Eis, dort eine Pfütze, in der sich Bäume und die Gebäude der Umgebung spiegeln und dann ist da noch die verwackelte Zeitrafferaufnahme vom Flug in meinen letzten Urlaub. Eine gute, heiße Schokolade in Foodblogger-Optik. Ein Selfie mit Günter Oettinger. Und gleichzeitig auch ungemein persönliche Momente. Aber festhalten kann ich diese kurzen Momente nicht.

Ein bisschen sind Smartphonekamerafotos wohl das Globuli gegen die FOMO des Lebens. Und gleichzeitig sind ihr Produkt ein Katalysator zu den Erinnerungen. Und auch das ist wohl ein Blogpost, wie ihn nur ein alter weißer Mann schreiben kann. Nächster Job: Chefredakteur der BILD.