Seit einiger Zeit wünsche ich mir zu allen möglichen Anlässen Zeit statt Zeug von Menschen, die mit mir verwandt sind, mich mögen oder beides. Ein gemeinsamer Urlaub hier, ein gemeinsamer Ausflug dorthin, ein gemeinsame Stadtrundfahrt für die Stadt, in der ich lebe. Meistens ist das noch mit jeder Menge gutem Essen verbunden. Oder ich verschenke es, aber das war alles vor Corona.
Seit Corona fühlt sich jeder Tag gleich an — die Mahlzeiten geben den Ton an. Schlafen, Frühstück, Arbeit, Mittagessen gefolgt von einer Mate, gefolgt von einem Mittagstief, Arbeit, Kuchen, rausgehen, Abendessen, versacken, schlafen, Frühstück. Welcher Tag heute ist? Keine Ahnung — muss ich es wissen? Ist es denn irgendwie relevant? Wüsste ich, welcher Tag gestern war, könnte ich es sagen, aber gestern ist wie heute ist wie morgen geworden.
Die Stadt ist zwar wieder etwas belebter, aber hat nichts von ihrer Leichtigkeit, mit der sie sonst wie eine Blume im Frühling aufblüht. Zumindest tragen jetzt viele Menschen Maske, weil sie müssen. Dafür sitzen sie wieder dichter in Parks — man trägt ja jetzt Maske, da gelten die alten Regeln bekanntlich nicht mehr —, fahren Fahrrad, bestellen sich ihr Essen zum Mitnehmen, holen es sich ab und setzen sich auf die nächsten Treppenstufen. Normalität in Zeiten der Krise. Wahrscheinlich ist es nur eine Frage der Zeit, bis alle wieder Klopapier und Nudeln hamstern — und sterben. Die Antwort auf die Frage der Zeit ist wohl zwei bis vier Wochen. Nächstes Mal wünsche ich mir wieder Zeug. Andererseits wächst die Liste der Restaurants, der Ausflugs- und Urlaubsziele beständig weiter an. Dann halt also Zeit und Zeug.