Ein Privileg (Plural Privilegien, von lateinisch privilegium „Ausnahmegesetz, Vorrecht“) ist ein Vorrecht, das einer einzelnen Person oder einer Personengruppe zugeteilt wird. — Quelle: Wikipedia
Das war's. Damit habe ich wahrscheinlich bis an mein Lebensende Hausverbot im Elfenbeinturm der Akademia. Wie dem auch es: Es geht um Sonderrechte Aufhebung von Beschränkungen Privilegien für Menschen, die ihre Impfung gegen COVID—19 erhalten haben. Das Sturmgeschütz der Bourgeoisie und tante haben sich da vor ein paar Tagen gefetzt — eine Dokumentation kommt Ende März in die Kinos. Also vielleicht.
Nachdem die Lage tantes Kommentar aufgegriffen hat, hat Stefan eine lesenswerte Lagenachbesprechung geschrieben und den Aspekt Klasse eingebracht. Außerdem schreibt er:
Kippfigur. Sieht von unten anders aus als von oben.
Für die einen sind es Privilegien, für die anderen selbstverständliche Freiheiten.
Seit rund einem Jahr töten opfern nehmen wir tausende tote Menschen für den Standort, die Wirtschaft in Kauf. Wir haben uns dafür entschieden, die SARS-CoV2-Pandemie zu bekämpfen, indem wir warten und die Zeit bis zur Impfung irgendwie überbrücken. Andere Länder haben es geschafft, die Pandemie mit nicht-pharmazeutischen Interventionen in den Griff zu kriegen, aber wir tanzen lieber mit dem Tiger und wundern uns, dass wilde Raubkatzen auch mal beissen. Wir haben diese Entscheidung getroffen und sollten — ja: müssen — die Konsequenzen als Gesellschaft gemeinsam tragen.
Die Elons und Bills und Jeffs dieser Welt hatten es leichter als so viele andere: Ihre Eltern waren schon reich, Elon und Bill und Jeff konnten sich ohne Risiko ausprobieren und so haben ihre Kinder jetzt halt noch reichere Eltern. Wir machen uns diese Tatsache nicht oft genug bewusst, dass sie weniger für ihren Reichtum getan haben, als gemeinhin angenommen wird. Der Storch hat sie zur richten Zeit am richtigen Ort fallen gelassen. Dazu kommt, dass sie als Unternehmer*innen ihr Geld mit der Arbeit anderer Leute verdienen. Und was hat das jetzt mit Impfstoffen zu tun?
Ein Privileg ist wie ein Vorteil, den ich geniesse, obwohl ich nichts für ihn kann. Nachdem wir uns für die Impfstoffstrategie entschieden haben, hat irgendjemand bei der Bestellung Mist gebaut — ob absichtlich oder nicht, ist vollkommen egal: Das Kind schaut uns mit großen Augen vom Boden des Brunnens an. Aber der Impfstoff ist nun endlich da — juhu. Und mit ihm ein Katalog, wer wann mit einer Impfung an der Reihe ist. Die Reihenfolge — auf die wir zum Glück keinen Einfluss haben — ist deshalb notwendig, weil es nicht genug Impfstoff gibt — wofür wir nichts können.
Viele Impfstoffe schützen im Übrigen vor schweren Verläufen, aber ob sie vor einer Weitergabe des Virus durch die geimpfte Person schützen, ist momentan wohl noch mehr als fraglich. Und offenbar treffen die Langzeitfolgen einer COVID—19-Erkrankung nicht nur Menschen mit schweren Verläufen.
Und deshalb sollen Menschen, die Glück und ihre Impfung erhalten haben, nicht mehr unter den Einschränkungen ihrer Freiheit leiden wieder das Privileg von Restaurants, Kneipen, Kinos, Theater, Hotels geniessen dürfen, während andere mit Pech halt warten und sie in der Zwischenzeit bedienen müssen? Dann finden Corona-Parties demnächst nicht mehr nur im „Scotch und Sofa“ statt. Es gibt kein Recht auf ein Bier in der Eckkneipe, eine Pizza im Restaurant, „Godzilla vs. Kong“ im Kino, Ski-Urlaub im Corona-Hotspot.
Aber es gibt ein Recht darauf, nicht von anderen Menschen getötet oder verletzt zu werden.
Ihr wollt einen Lösungsvorschlag? Ich habe sogar eineinhalb:
- Entweder machen wir solange weiter wie bisher — also der Tanz mit der bissigen Raubkatze, bis alle geimpft sind. Solange gibt es keine Privilegien für niemanden, wir versorgen alle mit Steuergeld, damit niemand verhungert, aber trotzdem weiter Mieten zahlen muss. Das ist der halbe.
- Oder wir halten fest, dass es bisher nicht so geil lief, hören auf Menschen mit Ahnung, retten Menschen statt Standort und sind gründlich solidarisch — Stichwort #ZeroCovid. Das ist der ganze.
Niemand sagt, dass Solidarität einfach oder kostenlos ist. Im aktuellen Fall ist sie aber alternativ. Und Thomas und Annika im Prenzlauer Berg werden es schon schaffen, noch etwas länger auf ihren Chai Latte zu verzichten. Und ihre Privilegien.