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Und nun? Was tun!

Im ersten Teil ging es um die wirtschaftliche Lage, im zweiten Teil ging es um die bisherigen Versuche. In diesem dritten und letzten Teil zu nd.zwo möchte ich schließlich Bausteine für eine mögliche Lösung skizzieren.

  1. Die Lage der Publikation
  2. Was bisher (nicht) geklappt hat
  3. Und nun? Was tun!

Das Ziel

Ich schrieb es bereits im ersten Teil:

Ich will eine große, eine starke, gute, linke Zeitung. Eine Zeitung, die Politik macht und fordert. Eine Zeitung, die auf den Tisch haut und Krawall verursacht. Eine Zeitung, die ihre Leute gut bezahlen kann.

Ein Freund schrieb:

Ich will was, was sich Arbeiter*innen in ihren Whatsapp-Kanälen zuschicken.

Die Stärke des nd ist nicht tagesaktueller Journalismus. Es ist zeitloserer Journalismus von gestern, der auch heute und morgen noch relevant — und interessant — ist. Gute, exklusive, investigative Berichte. Recherchen wie die zu den Zuständen in Tegel, die vor Gericht ausgefochten werden musste.

Dabei muss sich nd seiner neuen, potientiellen, jungen Zielgruppe annähern und immer wieder und wieder klarmachen: Journalismus ist nicht umsonst, aber auch nicht kostenlos. Wer ihn konsumieren will, muss sich beteiligen und bezahlen. Das widerspricht sicherlich dem linken Ideal von Zugänglichkeit, aber auch eine linke Zeitung existiert nicht im luftleeren Raum.

Gründe zu zahlen

Es braucht handfeste Gründe, zu zahlen. Ein solcher Grund ist eine bezahlbare, aber harte Paywall. Ansätze gibt es mit der App bereits, nur unterlaufen der hohe Preis von 15—20 Euro und dass sämtliche Artikel frei zugänglich auf der Webseite stehen, diese Bestrebungen. Stattdessen lautet mein erster konkreter Vorschlag: Paywall und 5 Euro pro Monat. Fertig.

Menschen sind solidarisch, sie beteiligen sich gerne. Es ist in Ordnung für sie, zu zahlen. Aber es gibt eine Grenze. Menschen, die einen Großteil ihres Erwerbslebens hinter sich haben, haben ganz andere finanzielle Möglichkeiten als junge Erwachsene in Zeiten von Krisen, Kriegen, Inflation. Das ist eine Realität und dafür braucht es ein entsprechendes Angebot.

Es mag schmerzhaft anmuten, Journalismus quasi verschenken zu müssen, aber gleichzeitig ermöglicht man potentiell mehr Leuten Zugang auf eben diesen Journalismus als zum dreifachen Preis. Die Leute nehmen eine App wahr. Sie zahlen nicht (nur) für Journalismus, sondern für eine App. Und wenn ich für 15—20 Euro pro Monat Netflix oder die Öffentlich-Rechtlichen bekomme, warum soll ich dann die gleiche Summe für eine einzelne, weitere App ausgeben? Linker Journalismus hin oder her.

Abgesehen von Inseraten der Linkspartei und ihrem Umfeld und Zapf Umzüge gibt es kaum Werbung im nd, also auch kein Geld. Es müssen die Inhalte der Grund sein, das nd zu lesen und zu bezahlen. Und da ist viel Luft nach oben.

Anstatt einer klaren Linie zu folgen, ist das nd voller unmoderierter Widersprüche. Problematische Palästinasolidarität, die auch bei Klasse gegen Klasse oder in der Jungen Welt erscheinen könnte, findet dort genauso ihren Platz wie Texte vom anderen Ende des Spektrums. Auch Putin-Freund*innen wie Gabriele Krone-Schmalz wird eine Bühne geboten. Im Redaktionsstatus ist explizit von einem „linkspluralistischen Profil“ die Rede, aber vielleicht geht es dem nd auch deshalb wirtschlaftlich schlecht, weil es einfach keinen Bedarf nach einer linkspluralistischen Zeitung gibt? Dank nd.Dreitausend sind die Leser*innen jetzt selbst in der Verantwortung, wenn das nd nicht gerettet werden kann. Das nd selbst muss bequemerweise also nicht das Konzept, die Zeitung, die Inhalte hinterfragen und anpassen.

Die Junge Welt ist verlässlich putinfreundlich und palästinasolidarisch. Axel Springer hat seine fünf Grundsätze. Die muss man nicht teilen, aber dadurch gibt es ein festes Wertegerüst, das dem nd fehlt. Das nd hingegen will es allen irgendwie recht machen — oder auch nicht — und ist dadurch wischiwaschi, alles und nichts. Ein Ort der unterschwelligen innerlinken Debatte ohne große Außen- und Auswirkung. Ein Sturm im Wasserglas. Ein klares Wertegerüst bedeutet Verlässlichkeit.

Dazu kommt: Im nd produzieren älteren Akademiker*innen eher Journalismus auf Totholz für ältere Akademiker*innen und möchten damit weitermachen. Und das, obwohl man junge Leute vom Digital-Abo überzeugen möchte?

Wo ist der Mut? Warum setzt man nicht konsequent von Montag bis Freitag auf die Digitalausgabe und am Wochenende zusätzlich auf gedrucktes Papier? Dieser Schritt wird auf lange Sicht eh kommen, ihn vorzuziehen sorgt im schlimmsten Fall lediglich dafür, dass das Unausweichliche früher eintritt.

Krawall und Remmidemmi

Eine digitale Ausgabe hat einen weiteren Vorteil: Man muss nicht krampfhaft Seiten füllen. Es fällt nicht auf, wenn ein Text mehr oder weniger erscheint, man kann auf Qualität statt Quantität setzen. Mit einem klaren Wertegerüst bietet das außerdem die Möglichkeit, konsequent Forderungen zu formulieren. Konsequent linke Politik zu machen. Links der taz, weniger verstrahlt als die Junge Welt. Laut sein, populistisch sein, Öffentlichkeit generieren. Ich glaube, hier gibt es ein großes Potential.

Tagesaktuelle Nachrichten bekomme ich aus den öffentlich-rechtlichen Medien, dafür brauche ich das nd nicht. Ich will Hintergründe. Und ich will kurze, knallige und/oder unterhaltsame Beiträge, gerne auch in anderen Formaten, gerne auch nebeneinander. Gute Ansätze vom nd dafür sind „Anarchist*innen in der Ukraine“ oder auch die „Rote Brause“.

Ich will mehr Kooperationen, national und international. Inhalte und Perspektiven, die ich sonst nicht sehen würde. Der Freitag arbeitet mit dem Guardian zusammen, das nd neuerdings mit il manifesto. Ein guter Anfang, aber hoffentlich nicht das Ende. Nur scheinen gerade linke Medien in Deutschland einer Zusammenarbeit gegenüber nicht besonders aufgeschlossen.

nd.zwo

Mir ist bewusst, dass das bisweilen fundamentale Brüche mit dem nd wären. Und ob das Gesamtpaket aus bezahlbarem Preis und guten Inhalten ausreichen, um auch kurzfristig (genug) Geld zu erwirtschaften und Gehälter zu bezahlen, ist fraglich.

Aber wann wäre angesichts der desolaten wirtschaftlichen Situation des nd eine bessere Gelegenheit, ein besserer Zeitpunkt, das in Erfahrung zu bringen? Als Kontrast zum „Weiter so!“ ein „Anders!“, das eine Perspektive bietet. Vorwärts immer, rückwärts nimmer. Noch ist Zeit, Alternativen auszuprobieren, den Print-Abonnent*innen sei Dank.

Und hier kommt nd.zwo ins Spiel. Journalismus mit Wumms und Haltung von links für Junge und für Arbeiter*innen. Wenn sich die Änderungen nicht im nd umsetzen lassen, dann vielleicht daneben, ganz gleich ob unter dem Dach des nd oder eigenständig als Kollektivbetrieb.

Ein Ghost inklusive Paywall und API ist schnell aufgesetzt, ein einfaches Design mit überschaubarem Aufwand darübergelegt. Mit dem nd.digital gibt es ebenfalls eine App, die man anpassen kann. Pragmatismus statt Perfektion, aber gleichzeitig Qualität statt Quantität. Fehlt das Wichtigste: Gute, knallige Inhalte. Journalismus. Menschen, die diese Inhalte erstellen. Menschen, die Arbeit erledigen und sich einbringen. Vielleicht braucht es unter der Woche dann andere Kompetenzen, aber die lassen sich erwerben und erlernen, auch wenn das leichter gesagt als getan ist.

Vielleicht eine Mastodon-Instanz für die Belegschaft, um die Botschaft in die Welt zu tragen. Überhaupt: Investiert in Community. Baut sie auf. Biete günstigere Anteile an. Geht digital raus, sprecht mit Leute! Ja, leider auch in die Schmuddelecken des Kapitalismus, die digitalen Einkaufszentren: Instagram, TikTok, Telegram. Macht es selbst und überlasst es nicht den Leser*innen.

Ob das reicht? Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Ich weiß es nicht. Aber man hat etwas, mit dem man notfalls wie ein Phoenix aus der Asche einer Insolvenz erwachsen könnte. Etwas, auf dem man auch aufbauen und wachsen kann.

Was tun!

Vor der Generalversammlung im Juni 2024 habe ich ganz bewusst keinen dritten Anteil gezeichnet, weil ich den Plan vom Vorstand hören wollte, wie es weitergeht: Ich habe ihn nicht wahrgenommen. Es gibt keine Vision, stattdessen die Prinzipien „Hoffnung“ und „Weiter so“.

Der Plan nd.zwo ist sicherlich riskant, aber es ist mir ein Bedürfnis, einen Weg mit Schritten zu skizzieren und zur Debatte zu stellen. Ich möchte für Mut, Tatendrang und einen Ruck sorgen. Und ich möchte besonders dem Vorstand zurufen: Traut euch!

Denn in einem sind wir uns sicher einig: Es braucht eine starke linke Zeitung, eine Zeitung mit Haltung in diesen Zeiten. Und es muss sich etwas verändern. Wenn man nichts tut, gibt es demnächst eine linke Zeitung weniger.


Ich freue mich über euer Feedback, eure Kommentare und (gemeinsame) nächste Schritte. Ihr erreicht mich auf Mastodon oder über bekannte Mailadressen. Danke fürs Lesen.