bullshit

Ich male mir die Welt

Im Moment habe ich den Eindruck, dass progressive Menschen – ich zähle mich dazu – zu viel auf rechte Provokationen und Ideen reagieren. Es ist wichtig, sich rechten Menschen und ihren Ideen entgegenzustellen und ihnen zu zeigen, dass ihre Ansichten nicht willkommen sind. Gleichzeitig habe ich den Eindruck, dass wir zu wenig konstruktiv agieren, aber über jedes Stöckchen, das Rechte uns hinhalten, springen.

Auch Susanne von Literaturschock twitterte etwas ähnliches:

Wie wäre es, wenn wir endlich mal agieren, anstatt immer zu reagieren? Lasst uns endlich die Initiative ergreifen und selbst Themen machen! https://t.co/VyYG2MXTQ7

— Literaturschock (@literaturschock, 18. September 2017

Wir müssen uns für Menschlichkeit rechtfertigen. Menschen müssen sich dafür rechtfertigen, dass sie andere Menschen vor dem Ertrinken bewahren. Eigentlich sollten sich Menschen für Unmenschlichkeit rechtfertigen und verantworten müssen. Dafür, dass sie Menschen in den Tod schicken. Wir widerlegen Aussagen von Alice Weidel, während sie schon wieder die nächsten tätigt und Ängste und Vorurteile nutzt, um Wähler_innenstimmen zu bekommen.

Dieser Blogpost ist quasi eine Folge meiner Session vom diesjährigen Barcamp in Stuttgart. Dort stand folgende Frage zur Diskussion: In was für einer Welt wollen wir leben, wenn Fakten keine Rolle spielen? Und warum? Mit „Welt“ war „Welt“ im Sinne von „Gesellschaft“ gemeint. Dass wir auf unseren blauen Planeten achten müssen, das versteht sich von selbst. Ohne Planet keine Gesellschaft.

Auf dem Barcamp fand sich eine kleine, feine Runde zusammen, die darüber diskutierte. Wir hatten leider mehr als einmal das Problem, dass wir nicht mehr über die ideale Welt diskutierten, sondern darüber, was heute schief läuft.

Auch wenn wir am Schluss genau dahin abgedriftet sind, war es eine sehr interessante Session. Ich möchte euch auf diesem Weg für die Teilnahme und den Austausch danken.

Im Folgenden möchte ich gerne umreißen, in was für einer Gesellschaft ich gerne leben würde. Sie ist nicht perfekt, geschweige denn detailliert, vollständig oder gar bis zum Schluss durchdacht. Vielmehr stellt dieser Blogpost den Versuch dar, einen Gegenentwurf zu der Welt, wie Rechte/Konservative/... sie sich vorstellen, zu formulieren. Er ist keine Antwort und keine Anleitung, sondern vielmehr eine Sammlung loser Gedanken und Wünsche.

Es gibt wesentlich klügere Menschen als mich und ich würde mich freuen, wenn du dir ebenfalls Gedanken dazu machst, in was für einer Welt du leben möchtest. Schreibe doch einen eigenen Blogpost oder verfasse einen Kommentar.

Keine Grenzen

Grenzen gibt es generell zu viele. Manche sind räumlicher oder geographischer Natur, andere menschlicher. Einige sind sinnvoll, viele konstruiert. Ich würde mir wünschen, dass wir zum Wohle aller daran arbeiten, Grenzen, die trennen, miteinander zu überwinden.

Ich will in einer Welt leben, in der jeder Mensch leben kann, wo oder wie er_sie leben möchte. Niemand kann beeinflussen, wo er_sie geboren wurde, trotzdem wird er_sie heute dafür verantwortlich gemacht.

Dort, wo du lebst, herrscht Krieg? Du sollst keine Angst haben müssen, mit deiner Familie dorthin zu gehen, wo Frieden herrscht. Du sollst keine Angst haben müssen, zurück in den Krieg geschickt zu werden. Dort, wo du lebst, herrschen Hunger oder Armut? Wenn dir keine_r hilft, sollte dich niemand daran hindern, dorthin zu gehen, wo es genug zu essen gibt. Du sollst keine Angst haben müssen, dorthin zurück geschickt zu werden, wo Armut oder Hunger herrschen. Dort, wo du lebst, gefällt es dir einfach nicht? Du sollst dahin gehen können, wo es dir mehr zusagt.

Ich will in einer Welt leben, in der auf Inklusion und Barrierefreiheit geachtet wird und sie konsequent umgesetzt werden. Ich will in einer Welt leben, in der niemand diskriminiert wird. In der jeder Mensch die gleichen Rechte genießt, unabhängig davon, wo oder wie er_sie lebt. Ich möchte in einer Welt leben, in der jeder Mensch alleine aufgrund der Tatsache, dass er_sie ein Mensch ist, Rechte genießt, die ihm_ihr nicht abgesprochen werden können.

Ich will in einer Welt leben, in der Freiheit höher gehalten wird als Sicherheit. Gleichzeitig möchte ich in einer Welt leben, in der jede_r die Grenzen seines_ihres Gegenübers respektiert.

Solidarität und Mitmenschlichkeit

Wir müssen alle mehr miteinander reden.

Ist alles okay, Alter, biste glücklich mit deinem Leben

— Veedle Kaztro, Mehr Glück als Verstand

Ich möchte in einer Welt leben, in der Menschen nicht nur die Grenzen der Mitmenschen, sondern auch auf die Mitmenschen achten. Mit ihnen reden. Nachfragen. Bedingungslos Hilfe anbieten. Und dann bedingungslos helfen.

Niemand sollte Angst haben müssen, nach Hilfe zu fragen. Niemand sollte sie einem Menschen verwehren können. Ich möchte in einer Welt leben, in der Leistung nicht erwartet oder gefordert, aber gewürdigt wird. Ich möchte in einer Welt leben, in der jede_r gibt, was er_sie kann, und sich das nimmt, was er_sie benötigt. Es gibt genug.

Ich möchte in einer Welt leben, in der man einander vertraut. Gemeinsam Probleme löst. In der ich meine Haustür nicht abschließen muss. In der niemand Angst haben muss. Ich möchte in einer Welt leben, in der die Menschen mutig sind. Sich trauen, neue Dinge auszuprobieren und ein Scheitern nicht als Fehlschlag, sondern als Wissen wahrnehmen und miteinander teilen.

Dass Menschen durch ein bedingungsloses Grundeinkommen genau dazu motiviert werden sollen, neue Dinge zu erproben, kam natürlich auch zur Sprache. Torsten formulierte in Hinblick darauf:

Eine Gesellschaft sollte sich mit dem Gedanken anfreunden, einige Menschen, die nichts leisten können, ohne Bedingung versorgen zu können.

Wir können das. Ohne Probleme. Es scheitert eher am Wollen. Es ist leider keine Frage der Finanzen, sondern mangelnder Mitmenschlichkeit.

Für mich gehört dazu auch, dass Menschen unterschiedlich viel Hilfe benötigen und erhalten und sich niemand beschwert, dass jemand anderes mehr bekommt. Wir sind alle unterschiedlich. Menschen, denen das Leben mehr Steine als anderen in den Weg gelegt hat, sollten andere Menschen keine zusätzlichen in den Weg legen, sondern helfen, die vorhandenen zu entfernen.

Auch das hat wieder mit Grenzen zu tun: Jemand legt dir Steine in den Weg oder grenzt dich aus? Lass uns die Steine gemeinsam aus deinem Weg räumen und die Grenze einreißen.

Sharing Society

Ich möchte in einer Welt leben, in der Besitz und Eigentum geteilt wird. Artikel 14, Absatz 2 GG beschreibt es sehr schön:

Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

Ich habe den Eindruck, dass Eigentum momentan eher dem Wohle Einzelner als dem der Allgemeinheit dient. Was aktuell (noch) nicht gut ist, war und ist aber nicht Thema dieses Beitrags.

Ich fände es schön, wenn Menschen selbstlos ihren Besitz der Allgemeinheit zur Verfügung stellen würden, ohne eine Gegenleistung – sei es Geld, Gefallen oder Dinge – dafür zu verlangen, weil sie wissen, dass ihnen, wenn sie etwas benötigen, das sie nicht haben, geholfen wird.

Natürlich kann man nicht alles teilen. Beispielsweise möchte ich nicht, dass jemand in meinen persönlichen Erinnerungsgegenständen wühlt. Die Grenze dessen, was geteilt werden kann, zu dem, was nicht geteilt werden sollte, ist schwer zu ziehen. Am ehesten kommt mir da die persönliche Grenze einer_s jeden Einzelnen in den Sinn.

Ich möchte in einer Gesellschaft leben, in der Krankenhäuser, Bildungseinrichtungen, Netze (Strom, Wasser, Abwasser, Gas, Kommunikation, Verkehr, etc.) allen gehören. Jeder Mensch sollte sie nutzen dürfen. Ich finde es schwierig, dass mit gewissen Dingen Geld verdient wird. Gesundheit, Bildung und Mobilität dürfen keine Frage des Geldes sein.

So wir uns Leitern, ein bisschen Mehl oder ein Bügeleisen von unseren Nachbar_innen leihen, sollten wir mehr miteinander teilen.

Ruhe, Besonnenheit und Verantwortung

In meiner idealen Welt stellt Lautstärke kein Argument dar. Die Menschen denken in Ruhe nach, sie diskutieren, sie streiten, sie sind sich uneinig, aber sie arbeiten auf einen Konsens hin. Sie spalten nicht. Sie handeln besonnen.

Sie vertrauen einander und stellen niemanden unter Generalverdacht. Sie achten die Unschuldsvermutung.

Gleichzeitig übernehmen sie freiwillig die Verantwortung für ihr Handeln. Ich möchte in einer Welt leben, in der niemand dem_der Anderen schadet. Ich will in einer Gesellschaft leben, in der Menschen vergeben.

Und menschlich sind.

Elite. My ass.

Ich war heute laufen, das erste Mal seit drei Wochen. Dazwischen saß ich gelegentlich auf dem Fahrrad und eigentlich möchte ich wieder mehr Sport treiben. Wenn ich laufe oder Rad fahre, nehme ich meistens (immer) mein Handy mit. Es zeichnet auf, wo ich mich zu welchem Zeitpunkt womit wie schnell bewege. Es motiviert mich, wenn ich sehe, wie weit ich gelaufen bin, wie schnell ich war, was ich erreicht habe.

Die letzten vier Jahre nutzte ich dafür eine App, die in der Grundversion mit Werbung und ohne viele Features kostenlos ist. Die sogenannte „Elite“-Version, kaufbar per In-App-Purchase kostete 5,99€ pro Jahr. Dafür kann ich dann ein paar erweiterte Statistiken oder eine Historie sehen. 50 Cent pro Monat war mir diese Spielerei wert.

Als ich mir heute die Laufschuhe angezogen habe, aus der Tür trat und die App startete, verkündete sie mir stolz, dass mein „Elite“-Abo abgelaufen sei. Für nur 10,99 Euro käme ich aber ein weiteres Jahr in den Genuss der „Elite“-Funktionen. Der Preis hat sich nahezu verdoppelt. Aus Frust lud ich mir dannn eine andere App herunter, die das gleiche macht, mich aber nicht mit Werbung begrüsst. Es war nicht mein bester Lauf.

Ich höre mich sagen: „Mensch, Nathan, dann kostet dich diese Spielerei jetzt halt 1 Euro pro Monat. Jetzt stell dich nicht so an!“. Es ärgert mich trotzdem. Wahrscheinlich werde ich in den sauren Apfel beißen und mir dieses Abo für ein weiteres Jahr holen. Ich hätte mir einfach nur vorher einen Hinweis gewünscht. „Hey, dein Abo läuft in einem Monat aus, willst du das nicht erneuern? Aus folgenden Gründen haben wir unseren Preis angepasst.“ fühlt sich wesentlich besser an als ein „Hey, dein Abo ist ausgelaufen! Doppelter Preis!“, wenn man sich eigentlich überhaupt nicht damit befassen will. Und wahrscheinlich hätte es auch dafür gesorgt, dass ich diese doofe „Elite“-Abo einfach verlängert hätte.

Jetzt bin ich mir doch nicht mehr so sicher, ob ich es wirklich will oder ob mir die andere App nicht vollkommen ausreicht.

Update zur Abmahnung wegen wir-sind-afd.de

Anfang April fand ich eine Abmahnung der Kölner Kanzlei Höcker in meinem Emailpostfach. Weil seit Anfang April ein bisschen Zeit vergangen ist, bin ich euch ein Update schuldig.

Die Alternative für Deutschland, manchmal abgekürzt mit AfD (was aber auch Aktenordner für Dänemark bedeuten könnte. Oder Allgemeiner Finanzdienst.) hatte die Kanzlei Höcker beauftragt, mir eine Abmahnung mitsamt Unterlassungserklärung zukommen zu lassen. Sie schrieben:

Grund unserer Einschaltung ist, dass Sie die Domain wir-sind-afd.de registriert haben. Hierdurch wird das Namensrecht unserer Mandantin nach §12 BGB verletzt.

Gleichzeitig hatte die Kanzlei Höcker einen DISPUTE-Antrag bei der Denic gestellt. Das bedeutet, dass die Domain automatisch an die Alternative für Deutschland fällt, wenn ich sie lösche.

Die Unterlassungserklärung hätte mich genau dazu verpflichtet: Ich sollte die Domain löschen. Außerdem soll ich für die Abmahnkosten der Alternative für Deutschland aufkommen. Die Kölner Kanzlei kam auf einen Streitwert von 30.000€, davon leiteten sich die Abmahnkosten von knapp 1400€ ab.

Screenshot der Abmahnkosten

Und weil das ganze so wahnsinnig dringend ist (vielleicht wegen der Bundestagswahl?), würde das keine Fristverlängerung dulden. Die Kanzlei Höcker schrieb:

Eine Fristverlängerung kommt aufgrund der Dringlichkeit nicht in Betracht.

Nach ein paar Tagen Panik und einem Hilferuf auf Twitter hatte ich eine Kanzlei: Becker Büttner Held baten um eine Fristverlängerung. Und, oh Wunder, auf einmal war dann doch eine Fristverlängerung möglich.

Fristgerecht teilten meine Anwälte der Kölner Kanzlei dann mit, dass sie mir nur davon abraten könnten, die beigefügte Unterlassungserklärung zu unterzeichnen. Weiterhin schrieben sie:

Eine Löschung oder Herausgabe der Domain durch unseren Mandanten wird nicht erfolgen.

Die Reaktion der Kanzlei Höcker kam relativ schnell. Sie wollten wissen, ob sie meine Anwälte als Prozessbevollmächtigte in die Klage aufnehmen könnten. Das war am 25. April, seitdem ist es ruhig. Die Sache scheint aber noch nicht ausgestanden zu sein. Falls es Neuigkeiten gibt, mache ich mich bemerkbar.

Bevor es noch untergeht, möchte ich mich noch bei allen bedanken, die mir irgendwie beistanden. Vielen Dank für Eure Retweets und Solidaritätsbekundungen und dass ihr mir den Rücken gestärkt habt. In so einer Situation zu merken, dass man sowas nicht alleine durchstehen muss, tut unglaublich gut. Und natürlich auch vielen Dank an meine Anwälte! Ihr seid super.

Gehalt - Ein kurzes Update

Letztes Jahr schrieb ich über mein Gehalt. In der Zwischenzeit haben sich zwei Dinge verändert:

Zum Einen habe ich eine Gehaltserhöhung bekommen. Die Unterteilung in festen (95%) und variablen Anteil (5%) gibt es immer noch. Statt 36 100€ fix und 1 900€ variablen Anteil pro Jahr verdiene ich jetzt ein Zielgehalt von 41 800€ (39 710€/2090€), wenn ich Vollzeit arbeiten würde.

Wenn. Denn zum Anderen bin ich Anfang 2017 in Teilzeit gewechselt und arbeite nur noch vier Tage die Woche. Das gibt natürlich weniger Geld (der fixe, monatliche Anteil sind brutto ~2650€), aber dafür gibt es etwas so viel Wertvolleres: Zeit.

Einkaufszettl 0.5.5

Wenn nur wenige Tage nach dem letzten Release eine neue Version vom Einkaufszettl erscheint, dann ist bisher immer irgendetwas faul gewesen. Ich habe die erste neue Version nicht sorgfältig genug getestet, ich habe einen Bug übersehen oder einen neuen eingebaut.

Man könnte aber auch behaupten, dass jedes neue Release die App ein bisschen besser werden lässt, also alles halb so wild.

So auch die Version 0.5.5, die einige Kleinigkeiten in den Einstellungen verbessert:

  • Wenn Du dabei bist, die Reihenfolge der Kategorien zu ändern und merkst, dass Du damit nicht zufrieden bist, kannst Du die Änderungen einfach verwerfen, wenn Du auf "Zurück" tappst. (#21)
  • Gleiches gilt für die Sichtbarkeit der Kategorien: Wenn Du nicht auf "Speichern" tappst, wird nichts gespeichert. (#22)

Das Update ist bereits durch die Review durch und steht seit zwei Tagen im App Store zum Download bereit. Auch wenn Apple letzte Woche die Preise für Apps angehoben hat, den Einkaufszettl gibt's weiterhin für schlanke 99 Cent.

Apropos schlank: Vor einigen Tagen dachte ich auf chaos.social über die Größe des Einkaufszettl nach. Dadurch, dass er mittlerweile auch Swift enthält, ist er auf knapp 10MB angewachsen, ziemlich viel für so eine kleine App.

Testweise baute ich dann mal sämtlichen Swift-Code aus, die App wurde dann mit nur 1MB auch wieder viel leichter. Nichts desto trotz bietet Swift für mich als Entwickler auch einige Vorteile, deshalb jetzt die Frage: Willst Du lieber eine wirklich schlanke App oder sind 10MB für Dich auch in Ordnung? Was denkst Du dazu? Ich freue mich auf Deine Meinung.

Das gilt natürlich auch für generelles Feedback zum Einkaufszettl. Du hast eine Frage, Dir ist ein Fehler aufgefallen oder Du hast eine Idee, die die App noch besser macht? Dann schreib Dein Feedback in die Kommentare, via Twitter, Mastodon oder auch als Mail. Vielen Dank!

Einkaufszettl 0.5.4

Es gibt Neuigkeiten zum Einkaufszettl. Also eigentlich gibt es nur eine neue Version im App Store. Ich zitiere mal aus den Release Notes:

Diese Version wäre nicht notwendig gewesen, hätte der Entwickler ein bisschen mehr Sorgfalt an den Tag gelegt. Vielleicht wäre ihm der Bug, den diese Version behebt, dann aufgefallen:

Wenn Du als Nutzer_in eigene Kategorien hinzugefügt hast, konnte es passieren, dass die Reihenfolge der Kategorien durcheinander kam.

Vielen Dank an Manon, dass Du den Fehler gemeldet hast! Der Entwickler hat (hoffentlich) aus seinem Fehler gelernt und wird jetzt (noch) mehr Sorgfalt an den Tag legen.

Das Update steht im App Store zum Download bereit. Hast Du Fragen oder Verbesserungsvorschläge? Dann freue ich mich darauf, von Dir zu hören! Hinterlasse hier doch einfach einen Kommentar oder schreibe mir eine Email.

Der Einkaufszettl - 2015 und 2016

2016 war in vielerlei Hinsicht ein schlechtes Jahr: Donald Trump. Viele bekannte Menschen sind gestorben. Donald Trump. Kommen wir also schnell zum eigentlichen Thema: Dem Einkaufszettl.

Du wirst dich jetzt fragen: Der Einkaufszettl? Gibt's den noch? Diese total billige App von - wie hieß er gleich noch? Ja, gibt's noch. Man munkelt, dass es sogar den einen oder anderen Nutzer neben mir gibt. Wieviele ihn aber tatsächlich nutzen, weiß ich nicht.

Das eigentliche Thema dieses Blogposts ist es, ein paar Zahlen und Statistiken festzuhalten, wie sich der Einkaufszettl 2016 geschlagen hat. Und weil er im Herbst 2015 erschienen ist, möchte ich auch auf 2015 eingehen.

Verkäufe

Einige Unternehmen und Menschen legen ihre Zahlen offen oder blicken auf das vergangene Jahr zurück. Ich schätze diese Transparenz und den Mut:

Bei solchen Hochkarätern darf die beste Einkaufszettl-App natürlich nicht fehlen! Eigentlich wollte ich das letztes Jahr schon machen, aber da habe ich mich dann im Endeffekt nicht getraut.

Als ich den Einkaufszettl im September 2015 in den App Store brachte, war ich ein bisschen stolz auf mich. Mir war (und ist) klar, dass es wesentlich bessere Einkaufszettel-Apps gibt, eine Liste von Alternativen findet ihr hier in den FAQs:

Da wären zum Beispiel noch: Milk for Us, Groceries 4, Bring!, remember the milk, Buy me a pie!, Our Groceries, anylist, pon...

Eine Todo-Liste - nichts anderes ist der Einkaufszettl ja im Prinzip - ist heute das neue "Hello, World!": Jeder Anfänger programmiert sowas heutzutage. Außerdem wurde die Einkaufsliste, die ich nutzte, nicht mehr weiterentwickelt. Grund genug also, einfach mal irgendwo anzufangen.

2015

Als ich Apple im April 2015 die $99 von meiner Prepaid-Kreditkarte abbuchen ließ, war ich ganz aufgeregt. Ich meldete ein Gewerbe an und kam mir richtig erwachsen vor. Gleichzeitig war ich so euphorisch und motiviert, ich setzte mir sogar ein Ziel: Die $99, die mich das Apple Developer Program gekostet hatte, sollte der Einkaufszettl wieder einspielen.

Die Gewissheit, dass ich nicht darauf angewiesen war und bin, mit dem Einkaufszettl mein Lebensunterhalt zu verdienen, ließ es mich einfach probieren. Falls alle Stricke reißen würden, könnte ich das notfalls auch noch als Hobby verbuchen.

Ich entwickelte also vor mich hin, entwarf das Icon, lernte viel, bastelte eine kleine, einfache Website und schrieb nebenbei meine Bachelorarbeit über ein ganz anderes Thema. Ich wollte den Einkaufszettl gut machen.

Am 19. September 2015 war es dann soweit: Der Einkaufszettl 0.2 erreichte den App Store. 0.2 deswegen, weil mir 1.0 nicht angemessen erschien und er mir für eine 0.1 zu gut erschien.

In der ersten öffentlichen Version konnte man noch nicht so wirklich viel. Es war die besagte Todo-Liste mit vordefinierten Produkten und der Möglichkeit, diese per Wisch-Geste als gekauft zu markieren.

Am 30. Oktober, kam mit der Version 0.3 das erste Update. Ein Badge am Icon, die Möglichkeit, einzelne Produkte umzubenennen, und eine Erfolgsmeldung, falls man alle Einkäufe erledigt hatte, hielten Einzug.

Anfangs verkaufte ich den Einkaufszettl für 1,99€, pro Verkauf blieben nach Steuern und Apples 30% ungefähr 1,10€. Das war einer der Gründe, warum ich ihn nicht für 99 Cent anbot. Davon wären mir 55 Cent geblieben und das war mir zu wenig.

Über ein Jahr verteilt bräuchte ich also 90 Verkäufe. 7,5 Verkäufe im Monat erschienen mir realistisch. Ich war zu optimistisch.

Übersicht über die Verkäufe vom Einkaufszettl im Jahr 2015

2015 kauften zwölf Menschen den Einkaufszettl, drei nutzten einen Gutscheincode, einer davon war ich. Insgesamt betrug der Umsatz $27,32, von denen als Gewinn $16,16 übrig blieben

Trotz allem war ich stolz wie Bolle, als Anfang 2016 - ironischerweise an meinem ersten Arbeitstag als angestellter Vollzeit-iOS-Entwickler - die erste Überweisung von Apple kam: 11,13€.

Die erste Auszahlung vom #einkaufszettl ist da. Hab schon gekündigt. Rente, ich komme!

— Nathan (@zeitschlag), 4. Januar 2016

Auch wenn etwas mehr als 11€ eher eine kleine Summe sind, es fühlte sich gut an: Du hast da was gemacht und du bist stolz darauf und dann bekommst Du Geld dafür. Das war ein schönes Gefühl.

2016

Nachdem ich mein Ziel, monatlich 7,5 Einkaufszettl zu verkaufen, 2015 nicht erreicht habe, wollte ich es 2016 erneut versuchen. Gleichzeitig nahm ich mir vor, mehr Zeit in das Projekt zu stecken. Notfalls würde ich es eben als Hobby verbuchen.

Im Januar 2016 nahm ich meinen ersten richtigen Job nach dem Studium als angestellter iOS-Entwickler bei der MMS in Berlin an. Am 5. Februar 2016 kam der Einkaufszettl 0.4.0 in den App Store. Mit diesem Update kamen endlich die Kategorien. Vorher waren die Produkte einfach alphabetisch angeordnet, was - zugegebenermaßen - keine sonderlich gute Idee war - im Supermarkt stehen Basilikum und Baguette ja auch nicht direkt nebeneinander. Stattdessen waren jetzt die Produkte jetzt nach Kategorien sortiert. Zwei Wochen später kam dann das Bugfix-Release 0.4.1, weil ich bei der 0.4.0 nicht sorgfältig genug war.

Ende März kam dann die nächste Auszahlung: 9,35€.

Im April wollte Apple dann wieder die $99 für ein Jahr Apple Developer Program haben und bekam sie.

Am 10. November erschien die Version 0.5. Nun konnte man die Reihenfolge der Kategorien händisch anpassen oder auch gleich alle Produkte einer Kategorie komplett ausblenden. Außerdem konnte man die Produkte, die noch auf dem Einkaufszettl stehe, als SMS/per Tweet/per Mail/... teilen. Am 30. November schob ich dann abermals ein Bugfix-Release 0.5.1 hinterher.

Im Dezember investierte ich ein bisschen Geld und beteiligte mich mit 25€ am Adventskalender von Torsten, was jedoch keinen einzigen Download brachte. Vorher hatte ich den Einkaufszettl lediglich über Twitter und im Blog "beworben". Zwischenzeitlich hatte ich überlegt, tatsächlich ein bisschen Werbung zu schalten, aber das scheiterte an zwei Dingen: Zum einen war es mir zu teuer, zum anderen - und das ist der wesentlich gravierendere Grund - ist der Einkaufszettl nicht so gut, wie ich ihn gerne hätte.

2016 experimentierte ich über das Jahr hinweg ein bisschen mit dem Preis im App Store. Mal kostete die App 1,99€, mal war sie kostenlos oder für 99 Cent zu haben. Aktuell kostet sie 99 Cent, aber wer weiß, wie lange noch? Kauft sie lieber heute als morgen!!1!

Wirklich Erfolg hatte ich mit den Preisanpassungen nicht, auch 2016 schaffte ich es mit dem Einkaufszettl nicht, die anvisierten $99 zu erwirtschaften. Dafür luden wesentlich mehr Menschen die App: Im Oktober gab es einen Peak, ich weiß bis heute nicht, wer oder was dafür verantwortlich ist. Dafür gab es 2016 auch lange Durststrecken, in denen niemand die App herunterlud:

Übersicht über die Verkäufe vom Einkaufszettl im Jahr 2016

In seinem zweiten Jahr kam der Einkaufszettl auf 10 verkaufte und 50 kostenlose Einheiten, insgesamt betrug der Umsatz $14,14, von denen als Gewinn $8,28 blieben.

Rückblickend bin ich ein bisschen enttäuscht, da ich gerne mehr Zeit in die App gesteckt hätte, war stellenweise aber einfach zu müde und hatte nach 8 Stunden iOS-Entwicklung nicht unbedingt Lust auf noch mehr iOS-Entwicklung.

Gesamt

Insgesamt kommt der Einkaufszettl auf 75 Downloads, davon sind 22 (29,3%) bezahlt und 53 (70,7%) kostenlos. Wieviele Menschen die App wirklich nutzen, weiß ich nicht, ich tracke nichts. Ich freue mich aber über jeden einzelnen :-)

Übersicht über die Verkäufe vom Einkaufszettl im Jahr 2016

Für 2015 und 2016 komme ich dadurch auf einen Umsatz von $41,46 bei einem App-Store-Gewinn von $24,44. Gleichzeitig hatte ich Ausgaben von $198 und 25€ (~$26,88), die Arbeitszeit oder die Gewerbeanmeldung rechne ich nicht rein.

Alles in allem hat mich der Einkaufszettl also knapp $200 gekostet. Aber das ist okay. Dafür habe ich viel gelernt und Spaß dabei.

Code

Laut Github besteht der Einkaufszettl aus 251 einzelnen Dateien. Das Repository besteht zu 71,1% aus Objective-C-Code und zu 19,4% aus Swift. Außerdem sind dadurch, dass ich fastlane nutze, 2,6% Ruby und 6,8% HTML im Repository vorhanden. 2015 und 2016 haben sich 391 Commits angesammelt, mit fastlane-Commits und nicht eingeflossenen Features sind es 408.

Wenn ich mir den Code, den ich 2015 geschrieben habe, heute anschaue, muss ich oft schmunzeln: Was habe ich damals gemacht? Habe ich das wirklich gemacht? In einigen Jahren wird mir das mit dem heutigen Code wahrscheinlich genauso gehen. Denn wie John Ramero sagte:

Write your code for this game only - not for a future game. You're going to be writing new code later because you'll be smarter.

Fazit

Ich habe zwei Jahre in Folge mein selbstgestecktes Ziel nicht erreicht. Das ist jetzt nicht weiter schlimm, da es keine gravierenden Auswirkungen hat, frustrierend ist es aber schon ein bisschen. Dass ich bisher $200 da reingesteckt habe, tut mir auch nicht weiter weh, manche Leute geben für ihre Hobbies wesentlich mehr Geld aus.

Auch wenn die letzten beiden wirtschaftlich nicht unbedingt erfolgreiche Jahre waren, wird es den Einkaufszettl auch 2017 weiter geben. Dadurch, dass ich mittlerweile in Teilzeit arbeite, sollte es jetzt nicht mehr an der Zeit scheitern. Das nächste Release wird es wohl bis Ende des Monats geben, die ersten Bugs sind schon wieder gefixt, an anderen arbeite ich noch, damit der Einkaufszettl mal gut wird. Auch wenn es viele bessere Einkaufszettl-Apps gibt, gibt es nur einen Einkaufszettl.

Auf jeden Fall liegen die $99 für ein weiteres Jahr Mitgliedschaft im Apple Developer Program im April schon bereit.

Die Numbers-Datei mit den Daten und Diagrammen aus diesem Blogpost, beziehungsweise eine PDF-Version davon, könnt ihr herunterladen, wenn euch die genauen monatlichen Downloads interessieren.

JF-Umfrage: Was ist dein Lieblingsessen?

Neulich erwähnte ich, dass ich unter anderem die Junge Freiheit in meinem Feedreader abonniert habe, um meine Filterblase aufzubrechen, wie ich schrieb. Mehr als einmal habe ich wegen der Artikel und ihrer unterschwelligen Aggressionen dort aufgeregt. Nun fiel mir dort vor ein paar Tagen eine Umfrage auf. Es wird gefragt:

Der deutsche Staat hat 2016 Mehreinnahmen in Höhe von 24 Milliarden Euro erzielt. Haushaltsüberschuß: Für was sollte der Staat die Mehreinnahmen verwenden?

Die Antwortmöglichkeiten scheinen besorgte Bürger_innen wohl in ihrer Weltanschauung und ihren Ängsten bestärken zu wollen: Mehr Geld für innere Sicherheit und Verteidigungsetat, denn in Deutschland herrscht das Chaos!!1! Gebt den hart arbeitenden Bürger_innen das zuviel gezahlte Geld zurück, denn nur ihnen ist es zu verdanken!!1! Weg mit dem Soli!!1! Oh, und mehr Geld für Bildung, das kommt immer gut.

Umfrageergebnis der JF-Umfrage, was mit dem Haushaltsüberschuss passieren soll

Die Umfrage der JF zeigt sehr schön, wie man ein gewünschtes Umfrageergebnis erzielen kann: Man gibt einfach nur die Antwortmöglichkeiten vor, mit denen man selbst gut leben kann.

Würde ich eine JF-Umfrage machen, würde ich Dich fragen:

Was ist dein Lieblingsessen?

  1. Maultaschen.

Schreib Deine Antwort bitte in die Kommentare.

Demokratie durch Los?

Ich habe relativ viele RSS-Feeds abonniert, darunter sind Perlen wie unmus, aber auch Alltägliches wie die Zeit oder die Junge Freiheit, um meine Filterblase aufzubrechen. Im Alltag bleibt mir da leider gar nicht die Zeit, alle Artikel ausführlich zu lesen, geschweige denn meine Gedanken dazu zu notieren. Aber sie reicht, um sie zu markieren. Um sie später zu lesen. Um sie eventuell zu verbloggen.

Ich gewöhne es mir gerade an, solche markierten Artikel im Urlaub zu lesen, am Wochenende, wenn ich Zeit habe, wenn ich Lust auf sie habe. Ein solcher Artikel, den ich mich markiert hatte, war "Zur Wahl steht: Die Demokratie" aus der Zeit.

Dieser Artikel stellt ein sehr interessantes Konzept vor: Die Demokratie wie im antiken Griechenland. Im antiken Griechenland wurden die Menschen per Los und damit per Zufall in die Bürgerversammlung gewählt. Dort gab es keine "Wahl-Aristokratie", keine Demokratie von Berufspolitiker_innen, keine Demokratie der "wenige[n] der Klügsten und Guten", wie John Adams schrieb.

Der Rechtsanwalt Thomas Jefferson, Sohn eines wohlhabenden Plantagenbesitzers, formulierte einige Jahre später [interessanterweise in einem Brief an John Adams]: "Es gibt eine natürliche Aristokratie unter Menschen, die auf Tugend und Talent beruht. Ist nicht die beste Regierungsform diejenige, die am effektivsten die Auswahl dieser natürlichen Aristokraten für politische Ämter gewährleistet?

Das liest sich so, als würden es John Adams und Thomas Jefferson 'einfachen' Menschen nicht zutrauen, politische Entscheidungen zu treffen. Es liest sich so, als müsste man den Großteil der Bevölkerung zu ihrem eigenen Schutz entmündigen. Dagegen müsste man doch irgendetwas unternehmen können!

Und tatsächlich:

Adams, Jefferson und Madison hatten genau das richtige Verfahren identifiziert, um eine Volksherrschaft einzuführen, in der ein sehr kleiner Teil des Volkes herrscht: Wahlen. Für wen würden sich die amerikanischen Bürger entscheiden, wenn nicht für die Sachkundigsten, Klügsten, Wohlhabendsten?

Der Artikel erweckt den Eindruck, als wären Wahlen etwas Unfaires, nicht also das, als das sie für gemeinhin gesehen werden:

Noch Mitte des 18. Jahrhunderts wiederholte Montesquieu fast wortgleich die Gedanken von Aristoteles: "Wahl durch Los entspricht der Natur der Demokratie, Wahl durch Abstimmung der Natur der Aristokratie."

Dadurch, dass Wahlen eher der Natur der Aristokratie entsprechen, drängt sich der Eindruck auf, dass es auch in der heutigen Zeit noch solche Regierungen gibt, sonst würde die Zufallsdemokratie nicht als Mittel präsentiert, um etwas gegen Rechtspopulismus zu unternehmen: Gib den Menschen die Möglichkeit, sich zu beteiligen, zu gestalten. Vertraue ihnen, sie werden gute Entscheidungen treffen.

Dass 'normale Menschen' durchaus gute, politische Empfehlungen treffen und somit Einfluss nehmen können, wird am Constitutional Convention (seit 2016: Citizens' Assembly) aus Irland festgemacht, das dort seit 2012 beratend tätig ist. 66 zufällig ausgewählte irische Bürger_innen, ein Vorsitzender und 33 Politiker_innen werden vom Parlament beauftragt, Empfehlungen für wichtige Fragen zu geben. Sie treffen sich regelmässig, hören sich Vorträge an, beraten, diskutieren und sprechen am Schluss eine Empfehlung aus. Und es scheint zu funktionieren:

Wenn man die Bürger zwei Tage lang dabei beobachtet, wie sie Vorträge hören, diskutieren, Fragen stellen, kann man nicht anders, als Vertrauen in diesen Prozess zu schöpfen.

From the outset at this meeting, I was very pleased that members of the Convention appeared to be especially conscious of their responsibilities as they considered an issue on which there were sincere and deeply-held views on both sides of the debate. (Quelle)

Die Constitutional Convention empfahl beispielsweise, die irische Verfassung zu ändern, um Ehen für alle Menschen in Irland zu ermöglichen. Das irische Volk nahm diese Empfehlung in einem durchgeführten Referendum mit 62% an.

Grundsätzlich halte ich diese Konzept der Zufallsdemokratie für eine interessante Idee, die zu funktionieren scheint. Ich halte sie sogar für so gut, dass ich es schade fände, wenn man sie nicht einfach mal ausprobieren würde. Natürlich müsste man dafür sorgen, dass - überspitzt formuliert - nicht auf einmal 66 Nazis in diesem Gremium sitzen. Irland löst das Problem, indem eine zufällige Gruppe, die die irische Bevölkerung repräsentiert, bestimmt wurde. Ein Grund, warum das Konzept in Irland funktioniert, ist außerdem, dass Regierung und Parlament sich der Verantwortung stellen, die Vorschläge des Gremiums zu hören und entsprechend zu behandeln. Die Menschen fühlen sich so ernst genommen.

Ich bin vermutlich einer der letzten, die bereit sind, auf Forderungen von Nazis einzugehen. Natürlich kann man die Idee, mit der Zufallsdemokratie etwas gegen Rechtspopulismus unternehmen zu wollen, als Reaktion auf das Geschrei meist rechter Menschen zurückführen, man könnte es sogar soweit treiben, dass man behauptet, mit dieser Idee Rechtspopulisten entgegen zu kommen, dass Rechtspopulisten und -extreme mit ihrem Geschrei die politische Diskussion bestimmen.

Hier gelingt dem Artikel aber etwas sehr schönes: Auf der einen Seite wird ein bisschen auf Menschen, die etwas anderes als die bisherige Demokratie fordern, zugegangen. Auf der anderen Seite wird ihnen ein Vorschlag unterbreitet, dem sie eigentlich nur zustimmen können. Die AfD fordert Demokratie in Reinkultur? Fein, unterbreiten wir ihnen doch einfach mal den Vorschlag von Demokratie in Reinkultur.

So ganz ist der Vorwurf, dass Menschen durch ihr Geschrei die Diskussion in eine gewisse Richtung lenken, also nicht von der Hand zu weisen.

Locomore

Foto vom Zug

Vor ziemlich genau einem Monat fuhr ich zum letzten Mal letztes Jahr von Berlin über Heidelberg nach Mannheim. Ich fuhr die Strecke 2016 relativ häufig, meistens mit der Deutschen Bahn, manchmal fand ich eine Mitfahrgelegenheit, nur mit dem Fernbus fuhr ich nie.

Dieses Mal wollte ich mit Locomore fahren. Locomore ist ein neuer Fernzug, der seit dem 14.12. täglich zwischen Stuttgart und Berlin verkehrt, gerne mehr Menschen auf die Schiene und weg von Fernbus, Flugzeug, Auto und Co. bringen will.

Eine Besonderheit war, dass es die Möglichkeit gab, sich vorab per Crowdfunding zu beteiligen. Ach, dachte ich, lass uns das doch einfach mal ausprobieren. Im worst case verlierst du halt ein paar Euro. Das passierte aber nicht. Und so kam ich für kleines Geld an zwei Fahrscheine. Den einen nutzte ich für eine Fahrt im Businessbereich von Locomore.

@zeitchlag-Selfie im Locomore

Locomore wirbt mit WLAN, fairem Catering, dass sie mit Ökostrom fahren und es trotz allem sehr bezahlbar ist, mit ihnen zu reisen. Der konkrete Preis für eine Reise wird jedoch von schwarzer Magie und der Nachfrage berechnet. Laut eigener Aussage kostet die Fahrt immer höchstens die Hälfte des Preises, der bei der Deutschen Bahn fällig werden würde:

Der Höchstpreis liegt jeweils immer unterhalb der Hälfte des Normalpreises der Deutschen Bahn – so als hätte man eine BahnCard 50. (Quelle: Locomore)

Kurz vor Weihnachten stand ich dann also in Berlin am Hauptbahnhof und wartete. Ich war nicht der einzige, der Bahnsteig war sehr voll. Der Zug war mit 15 Minuten Verspätung angeschrieben, außerdem gab es Verwirrung mit der Wagenreihung. Gefühlt wurde das Locomore-Team von seinem eigenen Erfolg überrascht und hat versucht, irgendwie neue Kapazitäten auszugraben.

Meine erste Fahrt mit @locomore beginnt mit 15 Min. Verspätung und der Wagen, in dem mein Sitzplatz ist, fehlt. Dafür gibt es Wagen 7 doppelt

— Nathan (@zeitschlag), 22. Dezember 2016

Und in einem dieser Wagen 7 ist mein Sitzplatz :D https://t.co/r0CGu3DGr6

— Nathan (@zeitschlag), 22. Dezember 2016

Und jetzt gibt es doch einen Wagen 6. Und die Verwirrung stiftet eine Verwirrung! @locomore https://t.co/eA4aeldB97

— Nathan (@zeitschlag), 22. Dezember 2016

Dafür fehlt jetzt Wagen 9 oO https://t.co/j0eGsUoBRv

— Nathan (@zeitschlag), 22. Dezember 2016

Das führte natürlich zu einigem unvorhergesehenen Chaos, aber im Endeffekt konnten alle mitfahren.

Wenn man bei Locomore ein Ticket bucht, ist die Sitzplatzreservierung gleich inklusive, man zahlt nichts extra. Neben dem normalen Basic-Bereich gibt es Themenabteile, einen Bereich für Familien und Menschen mit Behinderung und Businessabteile. Die Businessabteile sind ganz normale Abteile mit dem Unterschied, dass es sich nicht sechs, sondern drei Menschen teilen. Außerdem ist in dem Businesstarif ein Getränk und ein kleiner Snack inbegriffen. Und Getränke und Snacks gibt es viele, überwiegend bio und fair.

Foto vom Snack

Meine erste Fahrt im neuen Fernzug. Es war sehr voll, der ganze Zug war ausgebucht, was aufgrund der inbegriffenen Sitzplatzreservierung nicht wirklich ein Problem darstellen sollte. Dass ein Wagen fehlte, machte die Sitzplatzreservierungen aber irgendwie zunichte.

Die Waggons finde ich sehr schick, die Sitze sind bequem, warm war es auch, ich fühlte mich wohl. Außerdem haben die Abteile mich an meine frühe Kindheit erinnert.

Fotos vom Abteil

Das versprochene WLAN hingegen war nicht verfügbar. Den Grund erfuhren wir bei der Fahrkartenkontrolle: Die zusätzlich angemieteten Waggons, die über kein WLAN verfügten, unterbrachen die Versorgung und somit war es nicht möglich, alle Accesspoints im Zug zu verbinden.

Die Fahrkartenkontrolle selbst war übrigens herrlich unkompliziert. Ich habe kurz vorher im Gang telefoniert und hatte mein ausgedrucktes Ticket entsprechend nicht griffbereit. Es reichte aber vollkommen aus, dass ich meinen Namen und meinen Sitzplatz wusste. Auch sonst war das Team sehr freundlich. Man hat gemerkt, dass sie noch dabei waren, sich einzuspielen, aber dafür waren die Menschen umso freundlicher und bemühter.

Ein schönes Detail fand ich auch, dass man am Ende des Zuges auf die Schienen schauen konnte.

Foto durch die Tür des letzten Waggons, man sieht die Schienen

Fehlendes WLAN ist die eine Sache. Spürbar ärgerlicher war hingegen, dass die Toiletten defekt waren. Gefühlt gab es im ganzen Zug zwei funktionierende Toiletten.

Ich kann mir vorstellen, dass viele lediglich aufgrund der geringen Preis mit Locomore fahren. Der Eindruck verstärkt sich dadurch, dass auch Locomore gefühlt stark über den Preis argumentiert und beispielsweise Gutscheine für noch günstigere Zugfahrten während der Grünen Woche in Berlin ausgibt. Insgesamt ist es aber einfach ein tolles Angebot. Es ist ein Zug, aber für den Preis einer Mitfahrgelegenheit. Bequeme Sitze, Bio-Catering, freundliches Zugpersonal. Das hat mich überzeugt.

Nicht nur der Zug hat mich überzeugt. Auch wie transparent und ehrlich Locomore kommuniziert und pragmatisch auf Fehler reagiert, finde ich toll. Beispielsweise fielen am 17.1. die Züge zwischen Ostbahnhof und Lichtenberg aufgrund von Bauarbeiten aus. Damit die Menschen, die bei Locomore gebucht hatten, trotzdem zwischen diesen beiden Bahnhöfen fahren konnten, teilte man S-Bahn-Fahrtkarten aus.

Als wenig später der Servicewagen ausfiel, was zur Folge hat, dass kein WLAN verfügbar war, das Catering eingeschränkt wurde und die Plätze für Menschen im Rollstuhl wegfielen - insgesamt also alles ziemlich doof -, zeigte sich Locomore sehr unzufrieden und selbstkritisch:

Wir sind mit der aktuellen Betriebssituation nicht zufrieden und bedauern die sich ergebenden Einschränkungen. Locomore hat kurzfristig einen Planungsstab eingerichtet und prüft Maßnahmen zur Stabilisierung der Wagenverfügbarkeit. (Quelle: Locomore)

Geplant war eigentlich, dass der Zug täglich fährt. Morgens von Stuttgart nach Berlin, am Nachmittag von Berlin nach Stuttgart. Wegen der Kinderkrankheiten und weil sie ihrem eigenen Anspruch, der zugegebenermaßen sehr hoch liegt, nicht gerecht werden, hat Locomore reagiert und fährt jetzt bis Anfang April nur noch an 5 Tagen pro Woche. Das ist sehr ärgerlich für alle, die an einem der wegfallenden Tage fahren wollten, sie werden entsprechend entschädigt. Trotzdem kann ich verstehen, dass viele ziemlich angepisst sind, was man auch in den Kommentaren auf der Facebookseite von Locomore lesen kann. (ansonsten bei ZEIT, RNZ, Spiegel Online. Es gibt aber auch viele, die das Vorgehen von Locomore verteidigen und für Verständnis werben.)

Der Grund dafür, dass Locomore nur noch über das Wochenende fährt, scheint darin zu liegen, dass Waggons noch nicht geliefert wurden, somit keine Reservewaggons bereitstanden, die Wartung in Stuttgart nicht funktioniert hat, Locomore den Start aber trotzdem riskiert hat. Das kann man mutig finden, es ist aber auf jeden Fall gepokert und das Blatt ging wohl nicht so richtig auf. Ich finde es toll, dass sie es auf jeden Fall probiert haben.

Eine App wie bei der Deutschen Bahn gibt es noch nicht, dafür aber einen (inoffiziellen) maschinenlesbaren Fahrplan. Vielleicht sollte ich das mal in eine kleine iOS-App gießen? Tickets gibt es im Internet oder (zum Höchstpreis) im Zug.

Ich finde es insgesamt beachtlich, was das Team von Locomore da auf die Beine gestellt hat. Ich finde es sehr bodenständig, ehrlich und sympathisch. Locomore versteckt sich nicht vor seinen Fehlern und Kinderkrankheiten, sondern geht sie an, auch wenn es schmerzhaft ist. Vielleicht verzeihe ich ihnen die Fehler auch deswegen?

Ich hoffe und wünsche mir, dass der Zug zwischen Berlin und Stuttgart noch lange Zeit fährt und das Angebot wächst. Wenn ich wieder nach Heidelberg fahre, dann werde ich wieder mit Locomore fahren. Also spätestens im Juni zum #litcamp17. Wenn ich irgendwie noch an ein Ticket komme.